Rezension

Pippi und die anderen

Jenseits von Bullerbü - Maren Gottschalk

Jenseits von Bullerbü
von Maren Gottschalk

Seit über 50 Jahren toben sie in der ganzen Welt durch die Kinderzimmer: Die freche Pippi Langstrumpf, der pfiffige Michel aus Lönneberga, die aufmüpfige Lotta aus der Krachmacherstraße und die vielen anderen beliebten Figuren der schwedischen Autorin Astrid Lindgren. Die meisten ihrer Bücher zählen heute zu den Klassikern der Kinderliteratur und liegen in über 70 Sprachen vor. Astrid Lindgren selbst wurde mit Ehrungen überhäuft und erhielt zahlreiche Preise, darunter den Deutschen Jugendbuchpreis und den alternativen Nobelpreis. Aufgewachsen ist die geniale Erzählerin auf einem kleinen, idyllischen Bauernhof im südschwedischen Småland, der durch die Geschichten aus "Bullerbü" berühmt geworden ist. Eine Kindheit, die, wie man weiß, von Gefühlen wie Freiheit und Sicherheit bestimmt wurde. Weniger bekannt ist, wie Astrid Lindgrens Leben weiterging, nachdem sie das Paradies der Kindheit verlassen musste. Maren Gottschalk zeichnet den Weg der großen Autorin nach - von dem einfachen Bauernmädchen aus Bullerbü zur weltberühmten Kinderbuchautorin, von den sonnigen Plätzen der Kindheit durch die zeitweilig tiefen Schatten des Erwachsenenlebens.

Der letzte Satz der Biographie ist richtungweisend: „Immer wieder hatte sie gesagt: ‚Ich bin Astrid aus Småland, eine Bauerntochter von Anfang bis Ende.’ Und weit oben im Himmel fliegt der 1996 entdeckte Asteroid Nr. 3204 durch das All. Die russische Akademie gab ihm den Namen Astrid Lindgren. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit.“
Heißt: Astrid Lindgren gab im Laufe ihres Lebens zwar unzählige Interviews, die Eckdaten ihres Lebens sind bekannt, doch sie selbst behielt das Persönlichste zurück. Die ganze Welt kennt sie, dennoch gab sie sich der Welt außer durch ihre Bücher nicht zu erkennen.

Ein bisschen wusste man: Dass sie in einem Bullerbü-ähnlichen Umfeld aufwuchs. Dass sie mit 19 Jahren schwanger wurde und gezwungen war, das Kind vorübergehend in Pflege zu geben, bis sie ihre Ausbildung beendet hatte und Geld verdiente. Dass „Pippi Langstrumpf“, ihr erster großer Erfolg (nicht ihr erstes Buch) entstand, als sie für ihre kranke Tochter Geschichten erfand. Dass sie sich für die Rechte der Kinder und für den Frieden einsetzte.

Aber was ist entscheidend für eine Frau, die den Titel „Beliebteste Schwedin des Jahrhunderts“ erhielt?
Sicher, viele, die mit den Kinderbüchern der Autorin aufgewachsen sind (gibt’s jemanden, der nicht?) interessiert auch die Frau hinter Pippi, Michel, Ronja und Mio.
Gottschalk gibt ein paar Antworten; sie zeigt ein Stück der privaten Astrid Lindgren, wie sie sie durch Gespräche mit engen Freunden und der Tochter kennen gelernt hat. Sie erzählt einiges, aber nicht allzu viel aus Lindgrens Privatleben, das bis dato nicht öffentlich und laut gemacht wurde, doch vermeidet sie Klatsch und Tratsch. (Auch wenn es ihr in einigen Rezensionen vorgeworfen wird.)

Jedoch: Das Leben einer Frau, die fast 95 Jahre alt wurde, die zu den bedeutendsten SchriftstellerInnen des 20. Jahrhunderts zählt und die letztendlich sogar politischen Einfluss hatte, so darzustellen, dass es auf 200 Seiten passt? Auch wenn Gottschalk in ihrer Danksagung schreibt: „Danken möchte ich besonders meiner Lektorin Susanne Härtel, die mich davor bewahrt hat, mich zu verzetteln.“
Ein wenig Verzetteln hätte mir gut gefallen.