Rezension

Poetischer Reihenauftakt

Das Geschenk der Wölfe - Anne Rice

Das Geschenk der Wölfe
von Anne Rice

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der junge Journalist Reuben soll einen Artikel über ein altes Herrenhaus schreiben, das abgelegen auf den Klippen der nordkalifornischen Küste thront. Doch die Besichtigung endet blutig: Reuben wird von einem großen Raubtier attackiert.
Seine Wunden heilen indes ungewöhnlich schnell...

Ich muss ehrlich sagen, ich hatte sehr hohe Erwartungen. Die Bücher von Anne Rice haben quasi meine Teenage-Jahre geprägt, bildeten die ersten Themen in diesem Forum, zeigten mir, worüber ich schreiben will. Nur stammen die Bücher, die ich kenne und liebe teilweise aus den Siebzigern und die neueren Werke von Anne Rice habe ich nicht gelesen (ich bin mir nicht sicher, ob ich die zwei Bände der Jesus-Trilogie lesen möchte oder nicht - aus sehr zahlreichen Gründen ^^).
Als ich dann das Buch in der Buchhandlung sah - sollte ich oder sollte ich nicht?
Ich wagte und... gewann.

Ich fand ihren Schreibstil schon in ihren alten Vampirromanen sehr schön und poetisch, verglichen mit moderneren Romanen wirkten aber einige Formulierungen teilweise eingestaubt. Nichts davon bei "Das Geschenk der Wölfe". Die Sprache ist immer noch voller Poesie, die Beschreibungen sehr lebendig und anschaulich, aber das Angestaubte und teilweise Trashige ist weg.
Natürlich sind auch jetzt die meisten guten Werwölfe ungewöhnlich gutaussehend, weise, gütig und der Protagonist ist selbstredend ein schöner Blauäugiger mit einer Körpergröße von 1,90m - dennoch hat sich etwas verändert. Ich kann nicht genau sagen, was - aber der Schreibstil ist jetzt wesentlich ausbalancierter und die ungewöhnliche Schönheit sämtlicher positiver Figuren sticht nicht so sehr als kitschig hervor. Teilweise erklärt sie sich einfach aus der verklärenden Wahrnehmung des Protas.

Das Buch ist toll, um es kurz zu sagen. Es ist poetisch geschrieben und sehr spannend, wobei für mich Poesie ja über Spannung geht. Besonders toll: Die ausgefeilten Überlegungen zu den Wahrnehmungen der Werwölfe und die philosophischen Aspekte der Geschichte. Außerdem mochte ich die Intertextualität, das Anspielen auf Lieder, Gedichte und Bücher, die dichte Verflechtung der Romanhandlung mit den Werwolfgeschichten der Literatur.
Da ich außerdem eifrig die FB-Seite der Autorin lese, musste ich jedes Mal schmunzeln, wenn im Buch die Figuren auf ein Buch oder auf einen Film Bezug nahmen, den sie regelmäßig auf ihrer Seite erwähnt hat.

Einziger Kritikpunkt war die Art, wie Anne Rice das Buch ausklingen ließ. Das war dann doch ein bisschen verwaschen.

Ansonsten aber ein tolles, ernsthaftes Buch.