Rezension

Politischer Roman und Familiensaga

Das Geisterhaus - Isabel Allende

Das Geisterhaus
von Isabel Allende

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Geschichte einer Familie und die Geschichte eines Landes: In ihrem Erstlingsroman „Das Geisterhaus“ erzählt Isabel Allende über vier Generationen – von circa 1915 bis in die 1980er Jahre – die Geschichte der Familie Trueba. Ihren Aufstieg und ihren Fall. Der Roman ist aber auch eine Chronik der Ereignisse in Chile im 20. Jahrhundert. Eine besondere Rolle spielt vor allem der Militärputsch 1973, bei dem der drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Präsident gestürzt wurde. Im Mittelpunkt des Romans steht Esteban Trueba, der tyrannische Patriarch. Esteban stammt aus einfachen Verhältnissen und kommt durch harte Arbeit als Goldgräber zu Vermögen. Als Großgrundbesitzer bekämpft er die Arbeiterbewegung und beginnt durch seinen Jähzorn, seine Sturheit und seine Machtbesessenheit nach und nach auch seine Familie zu zerstören. Mit seinem Verhalten besiegelt er auch das Schicksal seiner Frau Clara, seiner Tochter Blanca und schließlich seiner Enkelin Alba, die der Leser ebenfalls begleitet. Ich muss zugeben, dass ich ein paar Seiten gebraucht habe, um in die Geschichte hineinzufinden. Gerade den etwas mystischen Part fand ich anfangs befremdlich: So kann Clara in die Zukunft sehen und ihre Schwester Rosa hat grünes Haar. Schwierig fand ich zu Beginn auch die Erzählperspektive: Auf der einen Seite ist Enkelin Alba die auktoriale Erzählerin der Geschichte, es gibt aber auch Passagen, die aus Estebans Sicht in Ich-Perspektive erzählt werden. Diesen Perspektivenwechsel fand ich zunächst sehr verwirrend, vor allem, weil man von Alba erst recht spät im Buch erfährt und anfangs also gar nicht weiß, wer denn jetzt hier erzählt. Und noch ein dritter Punkt hat mich gestört: Allende verwendet kein einziges Mal im Roman Jahreszahlen – man muss sich also irgendwie selbst anhand der beschriebenen Ereignisse zusammenreimen, in welchem Jahr man sich gerade circa befindet. Nichts desto trotz hat mich der Roman aber nach ein paar Seiten doch sehr gefangen genommen und am Ende war ich ziemlich begeistert. Das liegt zum einen an der wirklich grandiosen Handlung und auch an Allendes Schreibstil. Sie schreibt sehr bildhaft und poetisch und hat es irgendwie geschafft, dass die Geschichte noch sehr lange in mir nachgeklungen ist. Trotz der doch recht tragischen und düsteren Handlung, gelingt es ihr immer mal wieder einen sehr feinen Humor einfließen zu lassen. Sehr gelungen ist auch ihre Charakterzeichnung der Figuren – sie bekommen dadurch etwas sehr Menschliches, Authentisches. „Das Geisterhaus“ ist durchaus lesenswert: ein intelligenter, politischer Roman und eine fesselnde, dramatische, todtraurige Familiensaga.