Puzzle
Gentzen: Gerhard Gentzen, ein deutscher Mathematiker und Logiker; ein Genie. Gestorben ist er mit 35 Jahren in einer Gefängniszelle in Prag, wo er als Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg inhaftiert war und schlichtweg verhungerte. Im ersten der 140 Kapitel, "Schmerz und Programm", begegnen wir Gentzen in seiner Zelle; er weiß, dass er sterben wird.
Betrunken aufräumen: Diesen Teil des Titels habe ich erst auf Seiten 479 gefunden: "Denken heißt: betrunken Aufräumen". Das finde ich verwirrend. Und so erlebe ich auch die beiden Teile des Titels: Auf der einen Seite eine historische Persönlichkeit, die mit ihrem logischen Denken die moderne Mathematik geprägt hat - klare Fakten. Auf der anderen Seite Spekulatives, Philosophisches, Phantastisches. Wie bringe ich das zusammen?
Das Buch besteht aus 140 kurzen Kapiteln, die ich als Puzzleteile erlebt habe. Im Personenverzeichnis werden etwa 50 Personen namentlich vorgestellt, unter ihnen nicht nur Gerhard Gentzen, sondern auch der Autor Dietmar Dath und Lady Gaga. Die Kapitel spielen zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Beispielsweise 1916, 1945, 2018, 2020, aber auch in der Zukunft, 2035. Auch die Schauplätze der Handlung sind verstreut: Prag, Berlin, USA... Diese Puzzleteile fand ich für sich gesehen oft faszinierend: Ich war schockiert von Gentzens Leben in der Zelle, habe mich mit Constance Griffith empört, bin Hossein gespannt auf seiner Suche gefolgt und habe auch sehr interessiert viele Ausführungen über Mathematik und Logik gelesen. Aber: Es ist mir nicht gelungen, dieses Puzzle zusammenzusetzen. Im Grunde war das zu erwarten; der Autor selbst hat das jedenfalls erwartet und hat schon im ersten Kapitel verschiedene Gründe zusammengestellt, weshalb ein solches Buch wohl nicht gelesen wird: Zu schwierig, zu abstrakt, zu abseitig und zu verstiegen. Dem kann ich zustimmen - für mich war es zu schwierig. Hier bräuchte ich jemanden zum Austausch oder aber jemanden, der mir Zusammenhänge erklärt. Die teils faszinierenden Einzelteile haben sich für mich nicht zu einem sinnvollen Ganzen verbunden. Schade.
Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2021.