Rezension

Quadratur des Kreises

Hingabe -

Hingabe
von Bénédicte Belpois

Bewertet mit 2.5 Sternen

Bénédicte Belpois versucht offenbar, alle denkbaren Ansprüche oder Bedürfnisse ihrer Leser zufriedenzustellen: wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. War der französische Originaltitel ‚Suiza‘ noch auffällig neutral, nennt er doch nur den der weiblichen Hauptfigur verliehenen Namen, so sieht sich der deutsche Verlag genötigt, durch den schillernden Begriff der ‚Hingabe‘ mit den Erwartungen des Lesepublikums zu spielen, um sie letztlich sogar zu konterkarieren. So liefert der Erzähleinstieg - todkranker Ich-Erzähler lebt seine Frustration in sexueller Gewalt aus - einen willkommenen Anlass zur Schilderung brutaler Vergewaltigungsszenen, die allerdings nicht durch literarisch-sprachliche Gestaltungskraft legitimiert werden. Das Opfer dieser Attacken bedient auch allzu viele Klischee- und womöglich heimliche Wunschvorstellungen von der willenlosen, animalischen, kreatürlichen Mädchenfrau, die alle männlichen Avancen - nicht nur die der männlichen Hauptfigur! - widerspruchslos hinnimmt. Der Phantasie, der Gutgläubigkeit, der psychologischen Plausibilität wird eine Menge abverlangt, wenn binnen kürzester Frist sich das Verhältnis zu einer von zunehmend zarten Regungen charakterisierten, vertrauensvollen, von Zärtlichkeit wie auch gegenseitiger sexueller Beglückung geprägten Liebe wandelt. Eingebettet ist dieses Szenario in eine patriarchalische Dorfidylle in Galizien, in die zu Anfang Tomas als vollintegrierter Macho und Suiza, die Fremde, als allenthalben verfügbares Sexobjekt ihre etablierte Rolle einnehmen. Ein bunter Reigen an Familienmitgliedern, Untergebenen, Dorfbewohnern spiegeln die unterschiedlichen Positionen, die man zu der sich entfaltenden Beziehung einnehmen kann. Kalkuliert und provokant der Knalleffekt, mit der Belpois ihren Roman enden lässt. Ein Lehrstück, wie Literatur gezielt am Reißbrett entworfen werden kann, um eines mit Sicherheit zu erzielen: Aufmerksamkeit und kontroverse Diskussionen.