Rezension

Rezension // "Nachtschattenmädchen" von Kerstin Cantz

Nachtschattenmädchen
von Kerstin Cantz

Bewertet mit 4 Sternen

Meine Meinung
Karla ist 17 Jahre alt und tritt das erste Mal ohne Eltern eine Auslandsreise an. Um einen Sprachkurs zu besuchen, reist sie nach Granada. Eigentlich hätte ihre beste Freundin Lotte sie begleiten sollen, doch die konnte sich dann doch nicht von ihrem neuen Freund lösen, weswegen Karla sich alleine ins Abenteuer stürzt. In Granada kommt sie bei Rosa unter, einer resoluten älteren Dame, die eine Tapas-Bar um die Ecke führt und Karla wie eine Tochter aufnimmt. Auch Naldo, Rosas Neffe, nimmt das Mädchen herzlich auf und überredet sie zu einer nächtlichen Führung der Alhambra. Dort beobachtet Karla einen Streit zwischen zwei Frauen. Am nächsten Morgen erfährt sie, dass noch in der Nacht eine Nonne ums Leben gekommen ist. Als ihr plötzlich ein Polizeikommissar ein Phantombild unter die Nase hält, bricht für Karla eine Welt zusammen: Das Mädchen auf dem Bild sieht aus wie sie selbst. Gemeinsam mit Naldo macht sich Karla in einer ihr unbekannte Stadt auf die Suche nach der Lösung dieses Rätsels. Und als wäre das nicht genug, verhält sich auch Rosa, ihre Gastmutter, plötzlich komisch. Hält sie Karla tatsächlich für eine Mörderin?
Ich habe mich unglaublich gefreut, als ich dieses Buch in der Hand hielt. Kerstin Cantz war mir bereits ein Begriff, da ich erst vor wenigen Wochen ihre anderen Werke gelesen hatte. Doch diese waren ja durch die Reihe durch historische Romane, die ich gerne gelesen hab und die mich gut unterhalten konnten. Nun hat sie sich also mal an ein anderes Genre gewagt und einen Jugendthriller geschrieben. Für mich war es echt interessant, ob Kerstin Cantz auch das kann und ich muss sagen: sie kann! Die Geschichte kommt ohne große Vorbemerkungen direkt ins Rollen und beginnt damit, dass Karla in Granada ankommt. Obwohl ich selbst noch nie in Spanien gewesen bin, konnte ich mir sofort vorstellen, wie die Umgebung ausschaut. Gemeinsam mit Karla habe ich die engen Gassen, die vielbesuchten Tapas-Bars und die beeindruckende Alhambra erkundet. Durch das atemberaubende Setting versprühte die Geschichte einen ganz eigenen Charme. Obwohl mir die Schauplätze meistens gar nicht so wichtig sind, kam beim Lesen doch eine ganz einzigartige Atmosphäre auf.
Die Geschichte wird zum großen Teil aus der Ich-Sicht von Karla erzählt, allerdings immer wieder unterbrochen durch Tagebucheinträge oder Passagen aus Sicht eines anderen Charakters. Bei den Tagebucheinträgen dachte ich beim ersten, es handele sich um welche, die Karla selbst geschrieben hat. Doch schon beim zweiten hab ich daran gezweifelt und etwas später wird klar, dass die Tagebucheinträge von einer anderen Person geschrieben wurden. Lange bleibt unklar, von wem diese stammen. Die Einschübe, die die Geschichte aus der Sicht einer anderen Person erzählt, fand ich dagegen nicht so gaaanz gelungen. Jetzt nach dem Lesen erinnere ich mich an einige Stellen, die nicht so ganz nötig waren. Wahrscheinlich sollte die Art und Weise, die Geschichte zu erzählen, die Spannung beim Leser steigern. Eine solche Steigerung konnte ich bei mir selbst jetzt nicht feststellen. Meinen Lesefluss hat diese Sache etwas gestört. 
Auch die Protagonistin Karla konnte mich nicht auf ganzer Linie überzeugen. Sie ist ein liebes, nettes Mädchen und sie steckt in einer wirklich krassen Lage: Alleine in einem fremden Land, in dem man dann plötzlich unter Mordverdacht steht. Da kann man schonmal etwas neben sich stehen. Allerdings konnte ich im weiteren Verlauf der Geschichte stellenweise nicht glauben, wie naiv und blauäugig Karla sich gab und das, obwohl Cantz sie zu einem intelligenten und durchaus selbständig denkenden Mädchen ausgestaltet hat. Naldo und Rosa dagegen hab ich sofort ins Herz geschlossen. Genauso hab ich mir immer eine spanische Familie vorgestellt - warmherzig und immer hilfsbereit. Und vor allem Rosas Schicksal ist mir an die Nieren gegangen, da ich mir ihren Schmerz wirklich gut vorstellen konnte. Bei Alba hingegen tu ich mir auch jetzt noch schwer, mir eine Meinung über sie zu bilden. Vielleicht war das von der Autorin ja so gewollt, ich weiß es nicht. Einerseits tat sie mir unglaublich leid mit ihrer Lebensgeschichte und andererseits war ich angewidert von ihr. Manchmal kam sie mir hart und kalt vor und das waren dann auch so die Stellen, in denen ich mir ein anderes Verhalten von Karla gewünscht hätte.

Ich habe mich auf die Geschichte ziemlich gedankenlos eingelassen und hab selbst gar nicht versucht, eine Lösung für die Geheimnisse zu suchen. Daher konnte mich die Story richtig mitreißen und es hat sich ein richtig guter Spannungsbogen aufgebaut. Die Handlung wird vorangetrieben und langweilig war es ganz bestimmt nicht. Anfangs dachte ich, dass es sich um ein ziemlich simples Geschehen handelt, aber dann wurde die Geschichte immer verstrickter und baute Tiefe auf. So einfach, wie ich dachte, war es dann doch nicht. Auch die Kritikpunkte von oben, mit Karlas manchmal sprunghaften Charakter, haben hier ihren Vorteil, da damit die Geschichte immer wieder in eine unerwartete Richtung getrieben wird. Nach ungefähr 200 Seiten fängt das Geheimnis an, sich langsam zu lüften und ich hab mich schon gefragt, was da jetzt noch fast 100 Seiten lang kommen soll, aber dann bleiben doch bis zum Schluss einige wichtige Details offen.
Am Ende wurde es nochmal richtig actionreich und die Ereignisse überschlugen sich. Es wurden auch nicht alle aufgeworfenen Frage beantwortet bzw. es blieben einige Unklarheiten. Aber das fand ich noch nicht mal schlimm, da im richtigen Leben auch nicht immer alle Fragen zufriedenstellend beantwortet werden können. Somit bleibt auch noch ein wenig Raum für die Vorstellung des Lesers.

Schlussworte
Mit "Nachtschattenmädchen" beweist Kerstin Cantz, dass sie nicht nur historische Romane schreiben kann, sondern auch wunderbar spannende, actionsreiche und berührende Bücher für Jugendliche. Ich hab das Buch in einem Rutsch gelesen und konnte es einfach nicht mehr aus der Hand legen. Die Geschichte wird mir noch einige Zeit in Erinnerung bleiben und daher kann ich dieses Buch empfehlen. Wegen nur kleinen Kritikpunkten und einer ansonsten überzeugenden Geschichte mit tollen Charakteren, war "Nachtschattenmädchen" eines meiner Highlights diesen Monats.