Rezension

Schaurige Vater-Tochter-Beziehung

Teufelsnacht -

Teufelsnacht
von Michelle Paver

Bewertet mit 4 Sternen

Suffolk, 1913: Der Hausherr Edmund Stearn bestreitet jede Schuld, während er neben einer grausam zugerichteten Leiche aufgegriffen wird. Niemand weiß, was damals geschah. Doch Jahrzehnte später äußert sich seine Tochter Maude dazu.

„Teufelsnacht“ empfand ich als Mischung aus dezenter Schauerlektüre, Spannungsroman und Charakterstudie, was recht einnehmend zu lesen war.

Gleich zu Beginn war ich verwirrt, weil Michelle Paver mit Briefen und Berichten aus den 1960er-Jahren den Anfang macht. Somit führt sie die Leser zur Ausgangslage in der Gegenwart, bevor die eigentliche Erzählung beginnt.

Deutlicher Aufhänger des Romans ist der Mord, für den Edmund Stearn 1913 in eine Nervenheilanstalt kam. Bis in die Gegenwart gibt es keine Erklärung, was ihn dazu getrieben hat und warum er seither immer wieder das gleiche Bild malt, welches sich im Lauf der Zeit sogar einer speziellen Bekanntheit erfreut.

Nur seine Tochter Maude kann als einzige Auskunft geben. Sie wehrt sich lange dagegen, doch als das Geld knapp und das ihr vererbte Herrenhaus immer baufälliger wird, ist sie bereit, die Geschichte zu erzählen.

Daraufhin geht es in Maudes Kindheit. Das Mädchen, welches mittlerweile zur kauzigen alten Frau geworden ist, erlebte eine triste Zeit. Bereits in jungen Jahren war sie von der Sorge um die Mutter und Angst vor dem Vater geprägt. Maude im Mädchenalter hat mir außerordentlich leidgetan. Es ist befremdlich, wenn man bedenkt, dass es vermutlich vielen Mädchen dieser Zeit ähnlich ergangen ist. 

Trotzdem ist Maude während der gesamten Handlung eher Beiwerk, eine Beobachterin, welche die Ereignisse kommentiert, miteinander verbindet und bis zum Ende am Laufen hält.

Der Vater zeigt sich sofort als abscheuliches Wesen. Allein, wie er Frauen betrachtet, ist kurz gesagt ekelhaft. Während er seine Frau zur Gebärmaschine degradiert, sieht er in der Tochter einen eher lästigen Besitz, welcher nur ein alltägliches Ärgernis ist.

Damit dringen wir zum Kern der Handlung vor. Im Vordergrund steht die toxische Vater-Tochter-Beziehung, die vermutlich damals Gang und gäbe war. Man erfährt aus erster Hand, wie Maude gelitten hat. Zwar ist sie körperlich unversehrt, wird aber in ihrem Wesen ignoriert. Es gibt kein liebes Wort, nicht den Hauch von Anerkennung, und sobald sich das Mädchen für etwas interessiert oder ihr ein bisschen gefällt, wird sie unter verächtlichem Schnauben zurechtgewiesen.

Gleichzeitig schleicht sich die Schauerstimmung ins Buch, weil der Vater augenscheinlich heimgesucht wird. Im Haus häufen sich die mysteriösen Vorkommnisse, die er penibel in sein Notizbuch einträgt, welches von Maude und vom Leser:der Leserin heimlich inspiziert wird. Es berichtet von modrigen Gerüchen, verwirrenden Erscheinungen und alten Schuldgefühlen, denen Maude auf die Spur kommen will.

Den vielfältigen Stil aus Tagebucheinträgen, Berichten und der wechselnden Sicht von Gegenwart und Vergangenheit mochte ich sehr gerne. Ich finde es jedes Mal anregend, wenn sich Autoren und Autorinnen solcher Mittel bedienen, weil es sich von der Masse abhebt und den Werken ein aufregendes Prickeln verleiht.

Der Roman war nicht spannend im Sinne eines Pageturners, trotzdem war stets eine gewisse Anspannung vorhanden. Dadurch war nicht abzuschätzen, in welche Richtung es geht.

Ich habe „Teufelsnacht“ gern gelesen und bin gerne in das Leben im Moor zur damaligen Zeit abgetaucht. Interessant fand ich, wie Vater und Tochter zueinander stehen, wie giftig diese Beziehung ist und was dies auf lange Sicht angerichtet hat. Gegruselt hat es mich nicht. Die Atmosphäre ist zwar von einer schaurigen Facette durchzogen, doch für angehaltenen Atem und Gänsehaut hat es leider nicht gereicht. Nichtsdestotrotz ist es ein gelungener Roman, der interessierten Lesern und Leserinnen durchaus faszinierende Lesestunden bieten kann.