Rezension

Schon mal über Sprache nachgedacht?

Die größte Erfindung der Menschheit - Daniel Everett

Die größte Erfindung der Menschheit
von Daniel Everett

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch war eines meiner Highlights aus 2017.

Everett hat sieben Jahre lang bei den Amazonas Indianern gelebt und dabei intensiv über Sprache nachgedacht. Seine Gedankengänge hat er in diesem Buch dargelegt, ergänzt durch verschiedene Theorien von Kollegen aus den Sprachwissenschaften.

Unterteilt ist das Buch in vier Abschnitte und fängt, wie könnte es anders sein, bei den Problemen an. Alle hocken am Feuer, es wird Nacht, der Fisch wird gebraten, aber es sollte auch geklärt werden, wer die Nachtwache hält, welche Probleme es bei der Jagd gab und wer zum Teufel den Fisch jetzt aus dem Feuer holt, bevor er verbrennt. Naja, es war einfach ein Überlebensvorteil eine Sprache zu haben, die nicht nur das hier und jetzt (das können Tiere auch kommunizieren), sondern auch das Gestern und Morgen auszudrücken vermochte.

Es mussten also Lösungen (zweiter Teil) her, die sich sehr unterschiedlich gestaltet haben, je nach Anforderung an die Umwelt. Das müssen nicht unbedingt immer Wortlaute sein. Die Amazonas Indianer verständigen sich mit Pfeiftönen bei der Jagd, um ihre Beute nicht zu verschrecken. Auch die Grammatik geht sehr unterschiedliche Wege. So ist zum Beispiel das Englische eine "kopf-initiale" Sprache, -to read a book-, das Buch ist der Kopf, das Verb steht davor und Deutsch ist eine "kopf-finale" Sprache, weil wir - ein Buch lesen -(das Verb kommt erst nach dem Buch). Also, ihr seht schon,wir hocken nicht nur bei den Indianern, wir haben unsere Fühler in so ziemlich alle Gefilde ausgestreckt.

Und damit sind wir auch schon bei den Anwendungen. Die Sprache kann uns als Werkzeug für Abgrenzung und Geheimhaltung dienen. Wir kennen alle das Wort "Fünf", aber durch Absprache, kann es auch zu einem Code werden, den nicht jeder versteht. Oder wir konstruieren uns Zeichen, die unserer Kulur entsprechen. Ein Indianer würde Bauklötze staunen über unser Verkehrszeichen für eingeschränktes Lichtraumprofil und ein Wesen in seinem Dschungel vermuten, dem er nicht unbedingt begegnen will.

Den Schluss bilden die Variationen. Inwieweit hat unsere Kultur Einfluss auf die Grammatik, oder ist es gar umgekehrt? Was aber unzweifelhaft feststeht, ist, dass unsere Sprache Einfluss auf unser Denken hat und es allerlei Kuriositäten gibt.

Was ich hier so salopp im Schnelldurchgang beschrieben habe, vertieft Everett mit zahlreichen Beispielen und guten Erklärungen. Die Komplexität des Themas geht er leichtfüssig an, vergisst dabei aber nicht die beleuchtenden Hintergründe.

Ein gutes Buch, aus dem ich mir eine Sache mitgenommen habe: Niemand hat für alles die richtigen Worte und nur gemeinsam können wir alles erfassen. Darum ist jede Sprache die ausstirbt, ein großer Verlust für das Verständnis der Welt. (Ähnlich den Kettenreaktionen beim Aussterben der Arten.)

Kommentare

wandagreen kommentierte am 26. April 2018 um 22:05

Wahrlich. Wahrlich. Wie sollten wir sonst Bücher lesen? Dann noch das Feuer und die Waschmaschine!