Rezension

Sehr aktuelle Bezüge

Bis hierhin und dann weiter -

Bis hierhin und dann weiter
von Maria Braig

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wie hatte es nur so weit kommen können? Es war nun schon das dritte Mal, dass ein Streit eskaliert war, dass Kira zugeschlagen hat….“

 

Madiha lebt in einer lesbischen Beziehung mit Kira. Kira ist extrem eifersüchtig und dominiert diese Beziehung. Madiha fällt eine Entscheidung. Sie packt ein paar Sachen, schnappt sich Kiras Motorrad und verschwindet. Sie will nicht gefunden werden.

Die Autorin hat ein tiefgründige Geschichte geschrieben. Darin werden etliche Probleme angesprochen, die nach wie vor hochaktuell sind.

Der Schriftstil ist ausgereift. Er passt sich den Gegebenheiten an. Das bedeutet auch, dass ich in vielen Rückblenden einen Einblick in Madinas bisheriges Leben erhalte, denn während ihres Roadtrips reflektiert sie ihre Vergangenheit. Madihas Eltern stammen aus Pakistan und hatten in Bonn Fuß gefasst. Der Vater ist Ingenieur. Zum Schulanfang hat er seine Tochter folgendes wissen lassen:

 

„...Du musst lernen, viel lernen, und du wirst immer die Beste in der Schule sein, hast du mich verstanden...“

 

Ich darf Madiha auf ihren Weg in die Niederlande und weiter nach Frankreich begleiten. Oftmals gibt es verwunderte Blicke, wieso sie als Frau allein mit einem Motorrad unterwegs ist. Auch auf den Zeltplätzen trifft sie auf Erstaunen. Dabei stellt sie fest:

 

„...Warum waren es so oft die Frauen selbst, die nicht glauben konnten, dass sie fähig waren, alles zu tun, was sie wollten?...“

 

Es geht im Buch auch um Madihas Familie. Das sind zum einen die Geschwister, die einen anderen Weg genommen haben als sie. Doch auch bei ihren Begegnungen auf der Reise kommen spannende Schicksale zutage. Keinen interessiert, dass sie in Deutschland geboren wurde und aufgewachsen ist. Allein ihre Hautfarbe führt zu Diskriminierung und abwertenden Bemerkungen.

Noch härter trifft es ihre Nichte Ayesha. Sie ist eine der besten Schülerinnen der Grundschule, bekommt aber nur eine Empfehlung für die Hauptschule. Eines der Kriterien ist, dass ihre Mutter Kopftuch trägt. Sie trägt es freiwillig. Die Gründe haben wenig mit der Familie, aber viel mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten in Deutschland zu tun.

Madiha muss eine Entscheidung für ihr weiteres berufliches Leben fällen. Die macht sie sich nicht leicht.

Die Autorin packt eine Menge an heißen Eisen an. Mal mehr, mal weniger schlagkräftig lässt sie ihre Protagonisten agieren. Eine Tatsache wurde Madiha schon nach derersten Auseinandersetzung mit Kira klar. In der Öffentlichkeit kursiert das folgende Bild:

 

„...Sie war lesbisch, sie wurde von einer Frau geliebt und Frauen waren nicht gewalttätig...“

 

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, was in unserem Miteinander so alles noch schief läuft.