Rezension

Sehr interessant

Walter Ulbricht. Mein Urgroßvater -

Walter Ulbricht. Mein Urgroßvater
von Florian Heyden

Bewertet mit 4 Sternen

„...Mein Buch ist kein Geschichtsbuch, kein Pamphlet und keine Rechtfertigung. Wenn mein Leser eine politische Biografie sucht, wird er enttäuscht werden. Es ist nicht politisch, nicht objektiv...“

 

Mit diesen Worten beginnt der Autor ein Buch, das auf das Leben seines Urgroßvaters zurückblickt. Es ist aber schon deshalb keine normale Familiengeschichte, weil dieser Urgroßvater etliche Jahre lag die Politik der DDR mitgeprägt hat. Der Teil der Biografie aber wird im Buch im wesentlichen ausgespart. Der Autor beantwortet eher die Frage, welche Ereignisse das Leben seines Urgroßvaters zuvor geprägt haben und wie er zu dem Mann wurde, den man als Politiker kennt.

Auch wenn im Eingangszitat steht, dass die Geschichte nicht politisch ist, so ist es doch die Politik, die großen Einfluss auf sein Leben hatte.

Die eigentliche Lebensgeschichte gliedert sich in dreizehn Kapitel. Jedes der Kapitel beginnt mit einer Überschrift und einer kurzen kursiven Zusammenfassung oder Einstimmung. Danach folgen die Ausführungen zum entsprechenden Lebensabschnitt. Durch die Verwendung von Originalzitaten aus historischen und familiären Quellen wirkt das ganze sehr authentisch. Gleichzeitig veranschaulichen viele Originalfotos das Geschehen.

Walter wächst in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf. Obwohl es immer wieder finanzielle Schwierigkeiten gibt, legen die Eltern wert auf eine gute Bildung für ihre Kinder. Walter absolviert eine Tischlerlehre und engagiert sich schon in jungen Jahren politisch.

Großen Raum nehmen in späteren Jahren die Richtungskämpfe in und zwischen den Parteien ein. Walter erweist sich als akribischer Arbeiter und guter Organisator.

 

„...Er lernt Emotionen immer mehr hinter einer Maske, gedeckt durch das Lächeln der Ulbrichts, zu verbergen. Er entwickelt Ausdauer im Zuhören, hält sich zurück und ist im entscheidenden Moment am besten informiert….“

 

Das Buch bietet einem Geschichtsinteressierten spannende Einblicke in die Jahre 1914 – 1945. Anhand der studierten Dokumente und einer umfangreichen Recherche werden Fakten und Widersprüche dargestellt. Immer wieder stößt man als Leser auf weitere Namen von Personen, die auch im Nachkriegsdeutschland eine Rolle gespielt haben. Das betrifft nicht nur Politiker, sondern auch Schriftsteller. Es wird ebenfalls gezeigt, welche Fehleinschätzungen es gegenüber der NSDAP gab.

Walters Familienleben nimmt nur wenig Raum ein. Das ist schon allein der Tatsache geschuldet, dass er häufig auf Reisen war oder im Untergrund gelebt hat. Trotzdem hat er die Familie finanziell unterstützt. Die Briefe an die Tochter zeigen einen liebevollen Vater.

Nicht verschwiegen werden Stalins Säuberungsaktionen und das fragile Leben der Emigranten in der Sowjetunion.

 

„...Es ist fast ein Treppenwitz der Geschichte, dass Stalin die Zeichen der Zeit nicht erkennt: Am 22. Juni beginnt das „Unternehmen Barbarossa“, der Überfall auf die Sowjetunion...“

 

Der Familienstammbaum, umfangreiche Referenzen und ein Literaturverzeichnis ergänzen das Buch.

Die Biografie hat mir sehr gut gefallen. Sie beleuchtet schlaglichtartig den Mensch Walter Ulbricht und zeigt gleichzeitig, welch Kämpfe und Auseinandersetzungen hinter manchen politischen Entscheidungen stehen. Eine leichte Bitterkeit ist in dem Moment spürbar, wo der Autor andeutet, welche Folgen die Verwandtschaft zu Walter Ulbricht für seine Familie und ihr Leben in Lübeck hatte.

Kommentare

LindaRabbit kommentierte am 19. November 2021 um 15:24

danke für die Rezension: Aber wenn Florian Heyden schreibt, es ist kein politisches Buch...dann stimmt das so nicht. Wer würde das Buch kaufen / lesen, wenn es ein unbekannter Großvater wäre, irgendein Großvater, der ebenfalls ein interessantes Leben  führte (so wie viele Großväter), aber eben nicht in der DDR diese Funktion hatte wie Walter Ulbricht...