Rezension

Sehr interessantes Geschichtsbuch der anderen Art

Deutschland - Neil MacGregor

Deutschland
von Neil MacGregor

Bewertet mit 4.5 Sternen

» [Es] gibt eine große Zahl von kollektiven Erinnerungen daran, was Deutsche getan und erlebt haben: Einige dieser Erinnerungen aufzurufen und sich mit ihnen zu beschäftigen, ist die Absicht dieses Buches. Es versucht nicht – könnte dies auch gar nicht -, in irgendeinem Sinn deutsche Geschichte zu schreiben, sondern es will einigen prägenden Zügen von Deutschlands heutiger nationaler Identität nachgehen, und dies anhand von Objekten und Bauwerken, von Menschen und Orten.«

Ein Geschichtsbuch der etwas anderen Art erwartet den Leser hier. Ich war zunächst ein wenig irritiert, dachte, dass die Erinnerungen „vorne“ anfangen und sich kontinuierlich in die Neuzeit vorarbeiten würden. Aber dieses Buch hat eine eigene Ordnung…

Es beginnt mit mehreren großen Übersichtskarten, die die politische Entwicklung vom Heiligen Römischen Reich bis zum heutigen wiedervereinigten Deutschland zeigen. Allein schon diese Karten fand ich toll und sie lieferten einen guten Einstieg für das, was anschließend kam.

In verschiedenen Themenbereichen befasst sich der Autor mit Deutschlands Vergangenheit, schaut auf Denkmäler und Erinnerungen, auf berühmte Personen und Erfindungen, auf kulturelle Errungenschaften und künstlerische Meisterwerke, auf wichtige Momente und natürlich auch auf schlimme Zeiten und das, was man als Schandflecke bezeichnen kann und muss. Bei manchen Themen war klar, dass sie nicht fehlen dürfen – ein solches Buch ohne Goethe, Luther, Gutenberg, das geteilte Deutschland oder das NS-Deutschland wäre undenkbar. Bei anderen Dingen aber war ich überrascht und habe manches Neue erfahren.

Es gibt nicht nur viel zu Lesen, sondern auch viel zu Schauen – das ganze Buch ist reich bebildert. Gut, für meinen Geschmack hätten die Ausführungen bei einigen Kunstwerken ein bisschen weniger umfangreich sein dürfen, andere Leser aber werden genau dies vielleicht von dem ein oder anderen politischen Thema sagen. Fakt ist, alles wird sehr ausführlich behandelt. Und da man als Leser meist nicht alles gleich interessant findet, gibt es in diesem Buch Themen, die einen mehr fesseln und andere halt weniger. In der Summe kam für mich ein großes Lesevergnügen heraus und ich habe nur aus einem Grund recht lange für das Buch gebraucht: Es ist ein ordentlich schwerer Brocken und keinesfalls geeignet, es mit sich herumzutragen. Im heimischen Bücherregal wird es aber sicher ein Buch sein, dass man immer mal wieder zur Hand nimmt und durch die hochwertige Aufmachung eignet es sich auch hervorragend als Geschenk.

 

Der Autor ist ein britischer Kunsthistoriker, der im Mai 2015 zum Intendanten des Berliner Humboldtforums berufen wurde. Zuvor war er von 1987 bis 2002 Direktor der National Gallery in London und anschließend bis 2015 Direktor des Britischen Museums. Für sein Wirken um ein besseres Verständnis Deutschlands in Großbritannien wurde ihm im Juni 2015 in Berlin der Deutsche Nationalpreis verliehen.

 

Fazit: Sehr interessantes Geschichtsbuch der anderen Art. Viel zu Lesen, viel zu Schauen.

 

»Die Vergangenheit hält Lehren bereit, die genutzt werden müssen, um die Zukunft zu formen.«