Rezension

Sie schlägt zurück

Der Keller - Minette Walters

Der Keller
von Minette Walters

Bewertet mit 4 Sternen

Die Story:
Muna wird als kleines Mädchen von den Songolis mit gefälschten Papieren aus einem Waisenhaus "entführt" und muss fortan als Sklavin für die Familie arbeiten und ihr Dasein im Keller fristen. Es ist äußerst bedrückend zu lesen, was ihr widerfahren ist und wie sie sich im Hause Songoli fühlt. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Geschichte. Der Rest beschäftigt sich mit Munas heimtückisch durchdachter Rache, als sie endlich aus ihrem Kellerloch heraus darf.
Frau Walters greift hier ein Thema auf, das mir bis dato eher fremd war. Und ich denke, in dieser Konstellation gibt es das auch nicht. Ohne viel Aufhebens und Vorgeplänkel wirft die Autorin den Leser sogleich in die Story.

Die Charaktere:
Aufgrund der Misshandlungen durch die Familie Songoli hat Muna eine zerstörte Persönlichkeit. Niemand hat ihr beigebracht, was Gefühle sind. Stumm erträgt sie die Schläge der Mutter, der Kinder und die Vergewaltigungen des Vaters. Als der Sohn Abiola plötzlich verschwindet und die Polizei vor der Tür steht, darf sie endlich aus ihrem Keller heraus. Sie muss so tun als wäre sie die Tochter und bis zu einem gewissen Punkt spielt sie brav ihre Rolle.
Nach und nach merkt der Leser, wie schlau und berechnend Muna ist. Alles ist genau durchdacht, jedes Wort legt sie sich präzise zurecht und sogar anderen in den Mund. Wenn etwas Unerwartetes geschieht, laviert sie sich geschickt aus der Situation heraus. Für meinen Geschmack hat sie etwas zu viel Glück. Alle trauen ihr blind und lassen sich von ihr einlullen. Sie stellt es zwar sehr geschickt an, aber mir erscheint es nicht ganz glaubwürdig.
Ansonsten präsentiert uns Frau Walters sehr überzeugende Charaktere. Ihre Handlungsweisen kauft man ihnen sofort ab, alles wirkt authentisch.

Der Schreibstil:
Ungewöhnlich, aber interessant finde ich, dass die Autorin zu großen Teilen keine wörtliche Rede verwendet. Es finden zwar Gespräch unter den Personen statt, sie werden aber ohne entsprechende Anführungszeichen dargestellt. Sehr schnell konnte ich mich an diesen Stil gewöhnen und es hat mich überhaupt nicht gestört. Im Gegenteil - es ist mal etwas anderes.
Der Leser betrachtet alles durch die Augen von Muna und kann so voll und ganz begreifen, was in ihr vor sich geht und zu was sie fähig ist.
Bisher hatte ich "Im Eishaus" von Frau Walters gelesen, aber den Schreibstil kann man mit "Der Keller" nicht vergleichen. Er wirkt distanzierter, emotionsloser. Möglicherweise lässt die gefühlskalte Art, mit der die Autorin Muna darstellen muss, nicht ihren gewohnten Stil zu. Das zeigt aber wiederum, wie wandelbar Frau Walters ist.

Ende:
Das Ende ist offen, weil es der Plot zulässt. Ich bin mir ganz sicher, dass hier keine Fortsetzung zu erwarten ist. Den Schluss würde ich schlicht und ergreifend als "okay" bezeichnen, aber aus den Schuhen haut er mich nicht.

Fazit:
Munas "Werdegang" erscheint mir nicht ganz glaubwürdig. Alles liest sich distanziert und emotionslos. Einzig die Darstellung der Charaktere überzeugt.
3,5 von 5 Isis'