Rezension

Solider Entwicklungsroman

Die Geheimnisse der Welt - Lisa O'Donnell

Die Geheimnisse der Welt
von Lisa O'Donnell

Auf einer schottischen Insel vor Glasgow lebt der 11jährige Michael mit seiner Familie; wir schreiben die 1980er Jahre und die Gesellschaft ist geprägt von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Schieflage. Als Michaels Mutter eines Abends verletzt und verstört nach Hause kommt, ist nichts mehr wie früher. Ab sofort prägen Geheimnistuerei und Zwistigkeiten innerhalb der Familie den Alltag, und Michaels Leben verliert seine Unbeschwertheit.  

Zunächst musste ich mich in die Erzählweise der Autorin einlesen, denn die Welt aus dem Blickwinkel eines 11jährigen Jungen zu erleben, ist für mich einerseits ungewöhnlich, andererseits musste ich auch viel zwischen den Zeilen lesen, um die Geschichte hinter der Geschichte zu begreifen. Rückblickend kann ich aber sagen, dass dieser Spagat der Autorin sehr gut gelungen ist. 

Wir erleben mit Michael, wie die Erwachsenen mit einer Extremsituation, einem Schicksalschlag, umgehen. Er soll möglichst von den Ereignissen ausgeschlossen und vor dem Wissen bewahrt werden, aber wie das so mit einem aufgeweckten Jungen ist, natürlich bekommt er mit, dass etwas Furchtbares mit seiner Ma passiert ist und reimt sich im Laufe der Zeit nach und nach das Wesentliche zusammen, clever wie er trotz seiner kindlichen Art ist. 

Die Auflage, über nichts zu reden und über allem Stillschweigen zu bewahren, bringt Michael in ein Netz aus Lügengespinsten, das sich vor allem über seine Freundschaften erstreckt. Man spürt beim Lesen direkt das Unwohlsein, dass sich über einen längeren Zeitraum auf Michaels Leben legt. Gleichzeitig erleben wir seine erwachende kindliche Sexualität mit und seine Interaktionen mit den Mädchen und Jungen in Schule und Nachbarschaft, die durchaus auchmal derb sind.

Dass Schweigen und Lügen keine Lösung sind und wie sehr Michael unter dieser Situation leidet, müssen die Eltern auf dramatische Art und Weise erfahren. Als alles ans Tageslicht kommt, erfährt die Handlung eine Wendung. Die Autorin hat es sehr schön dargestellt, wie sich die Konfliktsituation langsam auflöst und zum Guten wendet. Manches war mir in dieser Phase des Buches zwar ein bisschen dick aufgetragen und das Ende fand ich sogar ein wenig arg weich gespült, aber gefallen hat es mir trotzdem recht gut.

Michael auf diesem kleinen, schwierigen Stück Lebensweg zu begleiten und die Welt, aber auch sein Inneres aus seiner Perspektive zu sehen, war ein interessantes und manchmal auch emotionales Leseerlebnis. Mich hat Lisa O'Donnell mit ihrer Geschichte überzeugt, wenn auch nicht durchgehend mitgerissen.