Rezension

Spannender Thriller und erstklassiges Psychodrama

Kreidemädchen - Carol O'Connell

Kreidemädchen
von Carol O'Connell

Bewertet mit 5 Sternen

Kreidemädchen ist ein wirklich außergewöhnlicher Thriller der amerikanischen Schriftstellerin Carol O'Connell. Dies ist das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe, und es wird definitiv nicht das letzte sein. Ich habe selten einen zugleich so spannenden, berührenden und schockierenden Roman gelesen. Carol O'Connells einzigartiger Erzählstil in diesem Psychodrama - jedem Kapitel wird als Vorspann ein Tagebucheintrag eines Jungen vorangestellt, dessen Schicksal im Laufe des Buches offenbart wird - macht diesen Roman zu einem fesselnden Leseerlebnis.

Verwahrlostes Elfenkind im Central Park

New York wird von einer Rattenplage heimgesucht, als man ein kleines, verwahrlostes Mädchen, Coco, mit blutverschmiertem T-Shirt im Central Park entdeckt. Sie erzählt, dass sie auf der Suche nach ihrem Onkel Red war, als das Blut vom Himmel kam. Die Polizei durchsucht den Ramble, das Waldgebiet des Central Parks, und entdeckt eine Leiche, die im Baum aufgehängt wurde. Detective Kathleen Mallory und ihr Kollege, Detective Sergeant Riker, übernehmen den Fall und stehen vor einem Rätsel. Das kleine Mädchen mit dem elfenhaften Äußeren - rotes Haar, blasser Teint und blaue Augen - scheint merkwürdig verklärt, doch sie ist zugleich äußerst redselig und sehr intelligent. Charles Butler, ein renommierter Psychologe, der mit der Polizei zusammenarbeitet, erkennt schnell, dass Coco am Williams-Syndrom leidet, eine genetische Anomalie, die sich in einer extremen Kontaktfreudigkeit, oftmals gepaart mit Herz- oder anderen organischen Problemen, äußert. Aufgrund ihres Aussehens werden die Betroffenen auch oft Elfenkinder genannt. Butler versucht, Coco nach und nach Informationen zu entlocken, was sich als äußerst schwierig erweist, denn Coco ist traumatisiert, auch wenn dies zunächst nicht den Anschein hat.

Jagd nach dem Hungerkünstler

Als die Polizei eine weitere Leiche im Central Park findet, ist dies ein gefundenes Fressen für die Presse, die dem unheimlichen Killer, der seine stark abgemagerten Leichen in Bäumen aufhängt, den Namen Hungerkünstler gibt. Mallory und Riker suchen mit Hochdruck nach Hinweisen auf den Täter und stoßen dabei auf mysteriöse Todesfälle in der Vergangenheit, die nur jemand mit sehr viel Geld und Macht vertuschen konnte. Doch Mallory, die den Fall persönlich nimmt, weil ihr Coco ans Herz gewachsen und sie um ihre Sicherheit besorgt ist, gibt nicht auf, bis sie das Netzwerk aus Lügen zerschlagen und den wahren Killer zur Strecke gebracht hat. Eine unlösbare Aufgabe, denn ihr übermächtiger Gegner, so scheint es, hält alle Fäden in der Hand, doch er macht einen großen Fehler: Er unterschätzt Mallory...

Ungleiches Ermittlerduo: Mallory und Riker

Sie sind eines der wohl ungewöhnlichsten Ermittlerduos, das je erdacht wurde, und genau das macht ihren Erfolg aus. Kathleen "Kathy" Mallory, einstiges Problem- und Pflegekind sowie Meisterdiebin, ist ein knallharter Detective mit soziopathischen Zügen, die man nur schwer einschätzen und noch schwerer kontrollieren kann. Ihr zur Seite steht der ältere Detective Sergeant Riker, der einen untrüglichen Instinkt, doch leider ein Alkoholproblem hat. Mit diesem Protagonisten-Duo präsentiert uns Carol O'Connell keine Super-Cops, sondern authentische Figuren, die ihren oftmals brutalen Alltag allen Widrigkeiten zum Trotz meistern. Die Stärke der Autorin liegt in der Glaubwürdigkeit ihrer Charaktere, die weit mehr als Kunstfiguren sind und den Leser durch ihre Authentizität ansprechen.

Brisante Themenvielfalt

Der Roman lebt nicht nur von der hochspannenden Geschichte und den brillant konzipierten Charakteren, sondern er zeichnet sich insbesondere durch seine brisante Themenvielfalt aus. Neben der für Thriller üblichen Themen wie Gewalt, politische Intrigen, Machtspiele, psychische Abhängigkeit etc. thematisiert Kreidemädchen auch Schul-Mobbing in seiner schlimmsten Form. Alles in allem ergibt sich hieraus eine einzigartige Geschichte, die man als Leser nicht so schnell vergisst, denn sie berührt und schockiert gleichermaßen. Für mich ist das Buch ein absolutes Must Read.