Rezension

Spannendes Sci-Fi Familiendrama für Jugendliche

Einzig - Kathryn Evans

Einzig
von Kathryn Evans

Teva ist keine normale Sechszehnjährige. Das wird ihr bewusst, wenn sie an die Zukunft denkt, die sie nie haben wird. Das weiß sie, wenn sie nach Hause kommt, wo ihre früheren Ichs auf sie warten. Und das spürt sie, wenn die neue Teva sich in ihr rührt wie ein Parasit, der kurz davor ist, durch ihre Haut zu brechen. Teva ist ein fehlgeschlagenes Experiment und jedes Jahr, an ihrem Geburtstag, spaltet sich eine neue Form ihres Ichs ab. Und nur das neue Ich darf ihr Leben weiterleben, während die früheren Versionen zuhause von ihrer Mutter weggeschlossen werden, ohne jemals zu altern, ohne jemals ein richtiges Leben zu führen. Teva Nummer Sechszehn will dieses Schicksal nicht hinnehmen und beschließt, zu kämpfen. Doch als die neue Teva viel zu früh beginnt, hervorzubrechen, weiß sie nicht mehr, ob sie diesen Kampf überhaupt gewinnen kann. Oder ist sie vielleicht verrückt, und nichts davon geschieht wirklich?

"Zertreut versuchte ich, den eingerissenen Nagel anzuknabbern, aber der Finger fühlte sich komisch an, irgendwie zu dick. [...] Da waren plöltzlich zwei Nägel. Einer auf dem anderen. Einer davon war nicht meiner."
(Seite 136)

Seit ich mir einmal die Küchenmaschine auf den dicken Zeh habe fallen lassen, woraufhin der Nagel abgestorben ist und es ein Jahr plus zwei Mini-Operationen gedauert hat, bis der neue nachgewachsen und ich wieder normale Schuhe tragen und schmerzfrei laufen konnte, ekel ich mich vor Beschreibungen von Nagelverletztungen. Die Erzählungn von Teva, wie sich ihr kleiner Finger am Nagel abspaltet und wie sie sich selbst schneidet, haben bei mir das gleiche Gefühl hervorgerufen, wie Fingerngel auf einer Tafel. Sogar noch schlimmer. Und Teva redet oft von diesem Finger beziehungsweise diesen Fingern. Auf gewissen Weise war das für mich schlimmer als jeder Splatterroman, aber ich glaube, mit diesem Ekel-Empfinden stehe ich ziemlich alleine dar.

Abgesehen von diesem unschönen Gänsehautfaktor, hat mir Tevas Geschichte gut gefallen. Man spürt ihre Verzweiflung, ihren Wunsch nach Leben, ihre Sehnsucht nach einer Zukunft. Ihre Angst davor, verückt zu sein und davor, es nicht zu sein Ihre Angst vor einer schlimmen Krankheit und davor, zu sterben. Und auch ihre früheren Ichs sind gut getroffen. Da ist die rebellische, trotzige Fünfzehn, die ihren Freund Ollie wiederhaben will, den Teva ihr gestohlen hat. Da sind Zwölf und Dreizehn, die einander innig lieben wie Zwillinge und alles gemeinsam machen. Da ist Sechs, die Ängstliche, die etwas Grausamen miterlebt hat, ohne diese Erinnerung mit den anderen zu teilen. Und da ist die dreijhrige Eva, die erste, das Original, mit der alles angefangen hat. Obwohl sie alle die gleiche Person sind, sind sie doch extrem unterschiedlich und stehen so für die verschiedenen Lebensabschnitte eines Menschen und zeigen, wie man sich im Laufe der Kindheit und Jugend weiterentwickelt.

"[A]ls ich mich gerade in seinem Blick verlieren wollte, überkam mich urplötzlich ein äußerst unangemehmes Gefühl. Ein Gefühl, als würde sich in meinem Inneren eine Schlange ringeln und langsam entrollen. Irgendetwas, irgendjemand, wand sich unter meiner Haut."
(Seite 69)

Am Ende kommt alles ein bisschen anders als man gedacht hat und auf jeden Fall anders als Teva es geplant hatte. An sich finde ich das Ende gut - das Ende, nicht jedoch den kitschig-amerikanisches Epilog. Bei einem Erwachsenenroman hätte ich mir ein genaueres Eingehen auf die Sci-Fi-Elemente gewünscht, denn hier wird ein sehr haarsträubender Grund für Tevas Teilungen genannt. Für einen Jugendroman war es jedoch vollkommen in Ordnung. Allerdings frage ich mich, womit genau die Bezeichnung 'Thriller' gerechtfertigt wird, denn über Thrillerelemente verfügt diese Geschichte so überhaupt gar nicht. Sci-Fi, ja. Drama, ja. Coming of Age, ja. Aber nicht Thriller.

(c) Books and Biscuit