Rezension

Sprache und Kontrolle

Stürzen Liegen Stehen -

Stürzen Liegen Stehen
von Jon McGregor

Bewertet mit 5 Sternen

Station K auf Alexander Island in der Antarktis. Zwei junge Geowissenschaftler, Thomas und Luke, sollen unter der Leitung des versierten Stationsleiters Robert neue Landvermessungen vornehmen. Bei einer Exkursion geraten die drei Männer in einen unvorhergesehenen Schneesturm und verlieren den Kontakt zueinander. Nur Robert schafft es zunächst zur Station zurück, unfähig einen Notruf abzusenden.

Der erste Teil in Jon McGregors Roman „Stürzen Liegen Stehen“ lässt sich noch wie ein Abenteuerroman an.  Mittendrin in dem unbarmherzigen Schneetrieben verfolgen wir nah die Anstrengungen der drei Männer sich in Sicherheit bringen zu wollen, nehmen Teil an ihrer aufkeimenden Panik und bemerken, dass mit Robert etwas ganz und gar nicht mehr stimmen kann.

„Arme halten. Heben. Stimme, redet. Luke redet. Redet Unsinn. Aufstehn. Jetzt reiß dich zusammen, Mann. Steh selbst jetzt jetzt. Zusamm Reißmann komm komm. Mann Reißmann jetzt komm jetzt…….

…Stürzen“

Mit dem Perspektivenwechsel im zweiten Teil des Buchs steht Anna, Roberts Ehefrau im Fokus. Sie muss ihr gut eingerichtetes Leben, ihre Karriere hintenanstellen, um sich um Robert zu kümmern, der aufgrund seines Schlafanfalls pflegebedürftig wurde. Wir spüren auch hier ihre Emotionen, ihre plötzliche Geworfenheit in eine Rolle, die sie nicht ausfüllen möchte, ihre Zerrissenheit zwischen Pflichtbewusstsein und Selbstbestimmung. Robert hingegen leidet vor allem unter dem Sprachverlust und das auf Hilfe angewiesen zu sein, macht ihn unduldsam.

Unsere menschliche Natur neigt wohl dazu, alles kontrollieren zu wollen. Wir schützen und verteidigen unsere Territorien, die wir uns angeeignet haben. Es hat Folgen, lässt sich so ein Territorium nicht kontrollieren. Sei es das geografische Territorium Antarktis, dass sich vielleicht kartografieren lässt, der Mensch aber der Naturgewalt hilflos gegenübersteht. Auch unsere Fähigkeit mit Worten, Wortgebilden, Sätzen, grammatikalisch strukturiert zu kommunizieren ist ein menschliches Territorium. Wie gehen wir um miteinander, wenn wir der Sprache verlustig werden.

Was als Abenteuer in diesem Roman beginnt wird ein Kunststück über den Verlust von Sprache, Verständigung, Kommunikation außerhalb von Worten. Hier gebührt nicht nur dem Autor Jon McGregor Lob, sondern auch Anke Caroline Burger, die den Text aus dem Englischen in die deutsche Sprache übersetzt hat.