Rezension

Sprachlich groß, Inhaltlich eher mau

Die Stellung - Meg Wolitzer

Die Stellung
von Meg Wolitzer

Bewertet mit 3 Sternen

Mit Spannung habe ich diesem Buch entgegengefiebert; spuken mir doch Meg Wolitzers wundervolle Charaktere aus Die Interessanten noch immer im Kopf herum. Statt um Freundschaft geht es in diesem Buch um Familie. Der Leser begleitet die Familie Mellow – das sind Roz und Paul und ihre vier Kinder – über einige Jahre ihres Lebens. Dabei erhält man Einblick in Alltag, Probleme und Liebesleben aller sechs und wie sie die fast vergessen geglaubten Familienbande wiederentdecken.

Episoden aus der Kindheit der vier Geschwister wechseln sich ab mit ihrer aktuellen Lebenssituation etwa 30 Jahre später. Diesen großen Zeitsprung fand ich gut. So kommt Wolitzer gleich zum wesentlichen: Was haben sie aus ihrem Leben gemacht. Auch über die Eltern Paul und Roz erfahren wir im gleichen Stil mehr. Ihr Kennenlernen, ihre Trennung, ihr jetziges Leben. Von den insgesamt sechs Personen noch mehr zu erzählen, wäre aber auch vom Umfang her einfach nicht möglich gewesen.

Die Stellung beschreibt recht schön, wie eine Familie sich entfernen aber auch wieder zusammen finden kann. Wolitzers Sprache ist sehr angenehm. Intelligent aber schnörkellos und flüssig. Ich fand es erstaunlich wie sie es schafft so viel über Sex und Sexualität zu schreiben ohne peinlich oder pervers zu sein. Denn die Sexualität bildet so etwas wie einen roten Faden durch die Geschichte. Dabei ist sie aber nicht plakativ. Alles wirkt einfach ganz normal. Und Normalität ist man bei diesem Thema literarisch ja kaum noch gewohnt.

Allerdings gibt es auch ein großes „Aber“! Als erstes hätte ich mir von diesem Roman einfach mehr erwartet. An seinen großartigen Vorgänger kommt Die Stellung nämlich leider nicht heran. Ich denke, mit den sechs Personen hat sich Wolitzer einfach zu viel vorgenommen. Wenn sie den Fokus auf einen oder zwei der Charaktere gelegt hätte, wäre viel gewonnen. Auch konnte ich nichts mitnehmen aus diesem Buch. Trotz guter Ansätze hat mich keine der Geschichte richtig berührt. Es gab nichts wirklich Lehr- oder Erkenntnisreiches, was man nicht schon hundert Mal woanders gehört hätte. Meiner Meinung nach lässt sich so gut wie keines der Probleme der erwachsenen Mellow-Sprösslinge auf den Sex-Ratgeber zurückführen, den die Eltern geschrieben haben. Daher frage ich mich, ob dieser wirklich nötig war. Ein realistischeres Szenario hätte es vielleicht auch getan.

Bleibt am Ende, dass Wolitzer zwar sprachlich groß ist und das Thema Sexualität wirklich gekonnt und entspannt umsetzt aber mir einfach eine Verbindung zu den Charakteren und damit zum Roman selbst gefehlt hat. Schade, aber ich setzte meine Hoffnung auf Die Ehefrau.