Rezension

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Starker Inhalt, schwache Sprache

Hobos-Trail - Marlin

Hobos-Trail
von Marlin

Hobos, Ku-Klux-Klan, Sklaven, Indianer und Mormonen

Ich habe dieses Buch in einer Leserunde gelesen und der Austausch mit dem Autor Marlin half mir, das Buch besser zu verstehen. Marlin wird übrigens nie mit Nachnamen genannt. Sein interessanter Lebenslauf ist im Klappentext erwähnt. 

Schon lange interessiert mich die Hobo-Bewegung Nordamerikas, die berühmte Vertreter wie Jack London und Woody Guthrie hervorbrachte. Ein Hobo ist ein Wanderarbeiter, der auf der Suche nach Arbeit quer durch das Land reist. Das Transportmittel der Wahl sind Züge oder besser gesagt, offene Güterzugwaggons, Boxcars genannt, manchmal auch Zugdächer. Selbstverständlich war dies den Bahnbediensteten ein Dorn im Auge und sie machten Jagd auf die blinden Passagiere.

Hobos Trail springt direkt ins Jahr 1870 in eine Zeit, in der viele Hobos unterwegs sind. Es ist die Zeit der sog. Reconstruction nach dem Sezessionskrieg, in der die Südstaaten wieder in die Union eingegliedert werden, der Ku-Klux-Klan die befreiten Sklaven jagt und die Indianerkriege ausbrechen. In dieser Zeit der Umbrüche und Krisen bricht auch Bill nach einem Streit mit seinem Vater auf und schließt sich drei jungen Hobos an - Jack, Joe und Tom. Nach einem Zwischenfall, bei dem ein Bahnbediensteter zu Tode kommt, trennen sich die Wege der jungen Männer. Bill reist mit Tom weiter und Jack, der indianische Wurzeln hat, macht sich mit Joe zusammen auf. Marlin hat die Handlung so geschickt in zwei Stränge geteilt und bringt mehr Spannung hinein. Bill und Tom werden des Mordes verdächtigt und per Steckbrief gesucht. Jack und Joe lernen ihre zukünftigen Frauen kennen und schließen sich einem Sioux-Stamm an. Sie treffen auf Menschen, die ihnen sehr wohlgesonnen, aber auch solche, denen sie ein Dorn im Auge sind. Marlin streut geschickt alle Themen der Zeit in die Handlung, sei es der Ku-Klux-Klan, Greueltaten, die gegenüber den Indianern verübt, die entweder niedergemetzelt oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Reservate gesteckt werden. Letztendlich finden Jack und Joe ihren vermeintlichen Frieden als Mitglieder eines Stamm der Sioux in einem abgelegenen Tal. Bill trifft in Utah auf die Mormomen, deren Lebensstil ihn sehr beeindruckt. Hier schließt sich der Kreis zu Marlins Biografie, dessen Religionszugehörigkeit ungewöhnlicherweise im Klappentext gedruckt steht, "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage". Selbstverständlich habe ich wieder im Internet recherchiert, wie so oft bei dieser Lektüre, und lerne, dass es sich dabei um die Religionsgruppe der Mormonen handelt. Das erste Mal werden die Mormonen bereits im 4. Kapitel kurz erwähnt und genau bei dieser Religionsgruppe landet auch Bill und "empfand gute Gefühle für sie". Musste das so sein, hätte er nicht weiterhin in den Wäldern als Trapper leben können?

Ich habe durch die Lektüre wirklich viel amerikanische Geschichte gelernt und deren Zusammenhänge verstanden, allerdings hat mir die Sprache enorme Schwierigkeiten bereitet. Auf Rechtschreibfehler und den Nichtgebrauch des ß möchte ich nicht weiter eingehen, genauso wenig auf Schweizer Begriffe wie z.B. innert für innerhalb, binnert für binnen, Conducteur für Schaffner usw. Was ich aber nicht tolerieren kann, sind wild eingestreute englische Wörter für die es zum einem kein Glossar gibt, zum anderen Dialoge lächerlich wirken lassen. Die  Protagonisten sprechen nämlich so: "Mit der Union Pacific Railroad,  die hat dort eine new Train Station seit 1867... bei der New Town Cheyenne." Oder "Das sind good news,...", "... Sonst jagt uns die Trainpolice!". Ich kann verstehen, dass der Autor dadurch das Sprachgewirr der ersten Siedler deutlich machen will. M.E. ist dieser Versuch kläglich gescheitert und macht mir das Lesen einfach nur schwer. Noch weniger kann ich  jedoch tolerieren, dass das Wort "Neger" eingesetzt wird und zwar nicht weil in dieser Passage in der Sprache von 1870 gesprochen wird, sondern weil ich Marlin schlichtweg Unwissenheit unterstelle. Es muss nicht mehr diskutiert werden, dass es sich bei diesem Begriff in der heutigen Zeit zweifelsfrei um eine Beleidigung handelt.

Aufgrund der sprachlichen Mängel gibt es nur drei Sternchen und nicht vier, die inhaltlich absolut berechtigt wären.