Rezension

Starkes Buch. Aber definitiv kein Jugendbuch.

Cengiz und Locke - Zoran Drvenkar

Cengiz & Locke
von Zoran Drvenkar

Für all die Macker!

„Für all die Helden, für all die Memmen, für all die Macker, für all die Jugos“. Dies ist die Widmung, die der jugoslawischstämmige Autor Zoran Drvenkar seinem Jugendbuch „Cengiz & Locke“ vorangestellt hat.

Nach der Lektüre bin ich immer noch ganz gefangen von der dunklen Geschichte, die sich zwischen den Deckeln dieses Buches abgespielt hat und überlege mir, was ich wohl bin. Held auf keinen Fall und ob es einen Helden in diesem Buch gibt, erscheint mir auch fragwürdig.

Ich entscheide mich bei mir eher als Memme, die Charaktere im Buch sind wohl eher von allem ein bisschen was.

In Drvenkars Geschichte geht es um den mongolischen Jungen Cengiz, der scheinbar durch Zufall in eine Charlottenburger Jugendgang gerät, eine Knarre in die Hand gedrückt bekommt und ein paar Mal den Abzug betätigt. Der vielleicht ein Mädchen getötet hat – später. Der definitiv ein Macker ist. Aber manchmal auch so eine Memme, dass du ihn in den Arm nehmen und ihm sagen möchtest, dass die Welt gar nicht so schlimm ist und dass etwas ganz ganz Großes auf ihn wartet.

Und es geht um Locke. Locke ist einfach anders – definitiv eher Memme, der im Verlauf der Ereignisse merkt, dass er doch viel besser zum Macker taugt.

Helden sind sie nur im Nachblick auf ihre Art und Weise. Ansonsten bauen sie ganz schön viel Scheiße. Freunde sind sie auch nicht so wirklich. Aber sie erleben eben die ganze Scheiße zusammen und das lässt sie zu Freunden werden.

Im Großen und Ganzen geht es um den Streit zweier rivalisierender Gangs, den Jugos und den „anderen“, die man weder nach Charakter, noch nach Alter oder Nationalität definieren kann. Es fließt Blut, es gibt Tote.

Die Geschichte ist aus ständig wechselnden Perspektiven erzählt, teilweise werden Szenen zweimal aus den unterschiedlichen Blickpunkten erzählt, manchmal erlebt eine Person etwas, was für eine andere noch in der Zukunft liegt – dieses Buch packt einen und lässt einen nicht mehr los. Man muss
weiterlesen, um die Zusammenhänge zu verstehen, man will querlesen, um schneller voranzukommen, aber auch alles detailliert mitbekommen, weil man mit Cengiz, Locke, Marco, Krca und den anderen mitleidet. Mit allen, weil man sie alle so gut versteht, obwohl sie eigentlich alle gegeneinander sind. Und mit allen, weil man eigentlich gar nichts versteht und gerade deshalb alles mitbekommen will.

Es war das erste Buch, das ich jemals gelesen habe, das in der 2. Person geschrieben ist und das in jeder Szene, dadurch wechselt der Leser nicht nur alle paar Minuten die Perspektive, sondern sogar gleich die Identität.

Das Buch ist anders. Das Buch ist erschreckend. Und dann ist da noch dieses gewisse Etwas, das man nicht in Worte fassen, sondern nur erleben kann.