Rezension

Sturz der Titanen

Sturz der Titanen - Ken Follett

Sturz der Titanen
von Ken Follett

Bewertet mit 4 Sternen

Es war einmal eine Welt, die dem Adel diente, sich in den engen Grenzen der Monarchie bewegte und in ihren moralischen Ansichten gefestigt war. Wer hätte gedacht, dass der Mordanschlag auf den österreichischen Thronfolger diese Welt in den Abgrund reisst? Keiner, manche oder jeder? 

Ken Follett packt in diesen Trilogie-Auftakt den Sturz dieser Welt, der Welt der Titanen und nimmt den Leser auf eine Reise quer durch unsere Zeitgeschichte mit.

Die Erzählstränge des Buchs sind interessant und spannend aufgebaut. Sie ignorieren nicht nur die geografischen Grenzen der Monarchien sondern geleiten durch verschiedene gesellschaftliche Schichten.

Hauptschauplatz ist Großbritannien. Hier arbeitet sich eine walisische Bergarbeiterfamilie nach oben, pocht auf eine neue Ordnung und zeigt dem Adel, dass nicht nur ihresgleichen ein Recht auf menschenwürdige Arbeitsumstände und politische Mitsprache hat.

Der britische Adel wird durch eine englisch-walisische Familie vertreten, die sich in ihrer Borniertheit gegen das Aufstreben der Bevölkerung wehrt.

Gegenspieler der Briten sind natürlich die Deutschen, die sich tapfer und selbstgerecht an der Front dem Feind entgegenstellen und auch dem hochwohlgeborenem Adel entstammen.

In Russland hingegen begleitet man ein Brüderpaar, in der Arbeiterschicht verankert, das unter der strengen Monarchie zu leiden hat, dessen Lebensweg sich aber durch eine Laune des Schicksals trennt, und so kommt es, dass sich einer der Brüder in den USA durchschlägt.

Damit sind alle Kräfte vertreten und alle Mächte vereint. Denn natürlich ist das Schicksal dieser Familien, Länder und ihre Entwicklung miteinander verwoben und anhand dieser verschiedenen Perspektiven erlebt man als Leser den Sturz dieser Welt.

Denn die Welt, wie sie damals war, berstet, zerbricht und wird aus diesem Scherbenhaufen notdürftig zusammengefügt. Deutschland marschiert in die Schlacht mit Russland, mit Großbritannien, und ein Kriegsgewirr erschüttert die Menschheit, was aus Freunden Feinde, aus Feinden Vertraute und aus Liebenden Getrennte macht. 

Ken Follett schafft es durch diese vielen unterschiedlichen Sichtweisen, den 1. Weltkrieg aufleben zu lassen, ein Verständnis für die damaligen Entwicklungen anzuregen und dieses gesellschaftliche sowie politische Erdbeben erneut zum Leben zu erwecken und hilft dem Leser dabei, die Tragik der Ereignisse nachzuempfinden.

Die ineinandergreifenden Lebenswege der Familien und Protagonisten haben mir ebenfalls sehr gut gefallen, weil ich denke, dass es im Krieg sogar recht wahrscheinlich ist, dass sich das Schicksal manch boshafte Wendung einfallen lässt. Wenn zwei Freunde an der Front stehen, muss es nicht unbedingt auf der gleichen Seite sein. Ebenso wissen wir, dass einst an der Front der Hl. Abend gemeinsam gefeiert wurde, weil man trotz verfeindeter Nationen doch nur ein Mensch zu sein hofft.

Besonders eine Perspektive hat mir allerdings gefehlt: Österreich. Obwohl das Attentat von Sarajevo Österreich-Ungarn den Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand genommen und damit nicht nur den 1. Weltkrieg sondern das Ende der meisten Monarchien eingeläutet hat, gibt es keine Ausführungen zur Rolle und letztendlichen Entwicklung Österreichs, was ich persönlich sehr schade finde. 

Andere Details hingegen waren mir dann doch zu ausgeschmückt. Ich muss als Leser nicht bei jedem Geschlechtsakt dabei sein und meinem Geschmack nach wurden insgesamt zu viele Entjungferungen zur Sprache gebracht, was bei mir zu Irritation führte.

Insgesamt hat mich dieses Werk jedenfalls beeindruckt, mein geschichtliches Interesse geweckt und bei mir auf jeden Fall die Neugierde auf den nächsten Band gesät. Aber wer hätte wohl nach der schweren Zeit des 1. Weltkriegs geahnt, dass der Winter der Welt erst kommt? 

Ken Folletts Jahrhundertsaga:
1) Sturz der Titanen
2) Winter der Welt
3) Kinder der Freiheit

© NiWa