Rezension

Szenen einer Ehe

Auf immer verbunden - Domenico Starnone

Auf immer verbunden
von Domenico Starnone

Schonungslos ehrliche und aufrüttelnde Analyse einer langjährigen Ehe.

Vanda und Aldo, ein in die Jahre gekommenes Ehepaar, kehren aus dem Urlaub zurück und finden ihre Wohnung total verwüstet vor. Während der Aufräumarbeiten entdeckt Aldo längst vergessene Briefe, die Vanda einst an ihn geschrieben hatte. Er versinkt in Erinnerungen an die gemeinsamen Ehejahre. Sehr schnell verflog damals die Verliebtheit, zwei Kinder wurden geboren, der Alltag kehrte ein und Aldo flüchtet in eine neue Beziehung. Er verliebt sich in Lidia, eine junge, attraktive Frau, zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus und zurück bleiben die beiden Kinder und die tief verletzte Vanda. Aldos neue Liebe hält nur drei Jahre, dann kehrt er reumütig in die eheliche Bequemlichkeit zurück. Nun sind Jahrzehnte vergangen, doch die einstigen Kränkungen sind nur scheinbar vergessen …

Domenico Starnone, geb. 1943 in Saviano, ist ein italienischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist. Er ist mit der Übersetzerin Anita Raja verheiratet, über die gesagt wird, dass sie unter dem Pseudonym Elena Ferrante publiziert. Starnone schrieb zahlreiche Romane, deren Themen oft von seiner Berufstätigkeit als Lehrer geprägt sind und von denen nur wenige in Deutsch übersetzt wurden. „Auf immer verbunden“ (2018) wurde unter dem Originaltitel „Lacci“ bzw. unter dem internationalen Titel „The Ties“ im Jahre 2020 verfilmt und war als Eröffnungsfilm der 77. Internationalen Filmfestspielen von Venedig zu sehen.

Wahrlich keine neue Geschichte, die der Autor hier erzählt, aber wie er sie erzählt ist einfach großartig. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Zunächst lesen wir Vandas Briefe, die sie zu der Zeit als er sie verlassen hatte, an ihren Mann geschrieben hatte. Im zweiten Teil kommt Aldo zu Wort. Seine Sicht der Dinge ist für den Leser wesentlich ehrlicher und glaubwürdiger als die hasserfüllten Briefe seiner Frau. Wir erfahren vom Glück mit einer anderen Frau, aber auch von seinen Schuldgefühlen, besonders seinen Kindern gegenüber, und von seiner reumütigen Rückkehr ins Familienleben. Im dritten Teil schließlich lernen wir die beiden mittlerweile erwachsenen Kinder besser kennen. Ob man ihr Verhalten, das zu einem überraschenden, tragikomischen Ende der Geschichte führt, billigen kann, sei dahingestellt.

Bei der Schilderung seiner Protagonisten zeigt der Autor überraschend viel Feingefühl. Er ergreift nie Partei, sondern überlässt es dem Leser, sich selbst ein Urteil zu bilden. Durch seinen empathischen und analysierenden Schreibstil werden die Abgründe dieses Ehelebens in den Vordergrund gerückt, was das Lesen nicht gerade einfach macht. Das  Gelesene wirkt noch längere Zeit nach, indem es den Leser schmerzhaft dazu anregt, über seine eigene Ehe und sein Verhalten nachzudenken.

Fazit: Von der großen Liebe zur Hölle auf Erden – schonungslose Analyse einer Ehe. Lesenswert!