Rezension

Teenagerzeit - Thrillerzeit

Blut ist im Schuh - Anna Schneider

Blut ist im Schuh
von Anna Schneider

Bewertet mit 4 Sternen

Die moderne Patchwork Familie. Eine Frau und ihre Tochter und ein Mann mit seiner Tochter – fertig ist die neue Familie. Leider ergibt 2+2 nicht immer vier. Das muss auch die 15jährige Amelie feststellen, als ihr Vater mit ihr in eine neue Stadt zu dessen Freundin Heike Conrads und deren gleichaltrigen Tochter Sarah zieht. Der Vater, viel auf Reisen überlässt Amelie in Heikes Obhut. Doch der Neustart gelingt weder in der Schule noch innerhalb der Familie problemlos. Sowohl Heike, als auch Sarah machen Amelie das Leben zur Hölle. Die Mädchen könnten unterschiedlicher nicht sein und so sind Konfrontationen geradezu vorprogrammiert. Doch nicht nur Neid und Eifersucht bestimmen fortan beider Leben, sondern auch Amelies Gefühl ständig beobachtet zu werden. Und dann ist da noch Ben. Kann sie ihm vertrauen?

Ganz klar, die Reihe Planet girl vom Thienemann Verlag weiß wie es funktioniert. Der Roman kommt trotz der Beschreibung Thriller nicht mit einem blutigen, sondern eher mit einem blumigen, verspielten Cover daher. Die Schattenrisse von zwei abgewendeten Frauen, umrankt von Blüten, Blättern und Vögeln – alles ist Pastellfarben von rosa über zu verschiedenen Blautönen. Ebenfalls bedruckt – die Schnittkanten des Buches. Klare Botschaft: Ein Buch von uns ist immer ein Schmuckstück. Mädchenherzen dürfen höher schlagen.

Wie im Märchen heiratet ein Witwer mit Tochter erneut. Und wie im Märchen stellen sich seine neue Frau und deren Tochter als böse Stiefmutter und -schwester heraus. Doch handelt es sich bei  Blut ist im Schuh ja nicht um die Neuerzählung eines Märchens, sondern um einen Thriller. Wie viel Thrill der Roman beinhaltet, dazu später.

Die Geschichte von Anna Schneider hangelt sich schon im Großen und Ganzen an der des Aschenputtels entlang. Jedoch weicht sie in einer Hinsicht völlig davon ab. Zwar kommt die Figur des Prinzen hier auch vor, aber auch noch eine weitere. Ein Unbekannter scheint sich für die ungleichen Schwestern zu interessieren und es braucht nicht viel Fantasie um zu erkennen, dass diese Person nichts Gutes im Schilde führt.

„Gespannt wartete er im Schutz des dunklen Hauseingangs direkt gegenüber, wen er gleich sehen würde. Seinen Sonnenschein oder sein Abendrot? Sie waren wie Tag und Nacht, die beiden Schwestern, so verschieden und so einzigartig, jede auf ihre Art. Lange hatte er nach ihnen gesucht …“

Amelie und Sarah führen sich auf wie Hund und Katz, was nicht nur innerhalb der Familie, sondern  auch in der Schule zu großen Spannungen führt. Und so ist es für Amelie ganz klar, dass die seltsamen Vorkommnisse ihrer Stiefschwester zuzuschreiben sind. Und da sie von keiner Seite Hilfe erwarten kann, igelt sie sich immer mehr ein. Lediglich ihre alte Schulfreundin Biene unterstützt sie.

Anna Schneider legt viel Wert auf die Beschreibungen ihrer Figuren. Sie unterstreicht mit dem Aussehen der Personen ihre Stellung und erklärt es auch noch mal an verschiedenen Stellen zu Kapitelbeginn.

„Die Frau hatte zwei Töchter ins Haus gebracht, die schön und weiß von Angesicht waren, aber garstig und schwarz von Herzen.“

Somit ergeben sie zwei perfekte Gegenspielerinnen. „Amelie war hübsch, hatte eine tolle Figur, war gut in der Schule, beim Sport und einfach nett - die Perfektion in Person.“ Und ihr Gegenüber Sarah:  „… ganz in schwarz gehüllte …“ mit „… griesgrämigem Gesichtsausdruck …“. „Sarah war wie ein trüber Tümpel: Man sah die Oberfläche, aber nicht, was sich darunter verbarg.“

Die Autorin unterstreicht dieses ebenso mit ihren verschiedenen Erzählperspektiven. Durch diesen Wechsel entsteht für den Leser ein immer klareres Bild von den einzelnen Figuren, die ansonsten schnell eindimensional wirken könnten.

Der Thrill. Es gibt ihn, wenn auch nicht so, wie ich ihn gewohnt bin. Aber ich bin auch Mitte vierzig und kein Teenager mehr. Zu Beginn des Buches habe ich tatsächlich damit gehadert, bis ich mich zurückversetzt habe, in die Zeit des Heranwachsens, der Zeit der ersten Verliebtheit, der Zeit des völligen Missverstandensein. Und hier kann ich sagen, das hat Anna Schneider in ihrem Roman perfekt gelöst. Sie unterfüttert das alte Märchen mit den Problemen der Pubertät und fügt noch einen beängstigenden Faktor hinzu. Denn natürlich sind Mädchen in diesem Alter leicht zu verunsichern. Ich denke, dass viele junge Leserinnen sich schnell mit Amelie identifizieren und den Horror den sie durchlebt nachvollziehen können. Somit bemerken auch sie eher die Gefahr am Rande, die dann im Laufe der Geschichte allerdings immer deutlicher wird und von den typischen Jung-Mädchen Problemen mehr und mehr ablenkt und in einem interessanten Ende mündet.

Leseempfehlung? Ja – aber für die entsprechende Altersstufe.

Für wen? Hier wird ganz klar die junge Generation angesprochen. Sicher wird es auch junggebliebene geben, die an dieser Geschichte gefallen finden werden.