Rezension

Thematisch überfrachtet

Provokateure
von Martin Walker

In Saint-Denis, dem malerischer Flecken im Vérzère-Tal, ist die Welt noch in Ordnung, zumindest solange niemand von außerhalb die dörfliche Idylle stört. Dort wacht Bruno Courreges, der Chef de Police, über die Sicherheit der Einwohner. Aber in seinem neuesten Fall muss er feststellen, dass die aktuelle Weltpolitik ihre Schatten auch auf diese Insel der Glückseligen wirft.

In „Provokateure“, dem siebten Band der Reihe, muss sich Bruno gleich mit drei Fällen auseinandersetzen. Zum einen ist da die männliche Leiche, die des Nachts in einem Waldstück nahe Saint-Denis aufgefunden wird. Zwar hat man diese in ein Auto verfrachtet, das anschließend in Brand gesetzt wurde, um alle Spuren zu beseitigen, aber bei der Obduktion stellt sich schnell heraus, dass das Opfer vor Eintritt des Todes massiv gefoltert wurde. Und auch die Identität klärt sich rasch, es ist ein Undercover-Agent, Bruno nicht unbekannt. Aber welche brisanten Geheimnisse gibt es schon in Saint-Denis zu entdecken?

Dann ist da noch Sami, der verschwundene muslimische Junge aus dem Städtchen, der fern der Heimat auf einem französischen Stützpunkt am Hindukusch auftaucht, desorientiert und offenbar misshandelt, der sich eigentlich in Toulouse aufhalten sollte. Da er seine Bekanntschaft mit Bruno erwähnt, setzt diesen ein ehemaliger Kamerad, der dort seinen Dienst ableistet, davon per Mail in Kenntnis. Was bringt einen autistischen Jugendlichen nach Afghanistan?

Und wenn das alles noch nicht genug wäre, ist da noch der Anwaltsbrief aus Paris, der der Gemeinde einen stattlichen Geldbetrag in Aussicht stellt. Jüdische Überlebende, die während des Zweiten Weltkriegs in Saint-Denis vor den Nazi-Schergen versteckt wurden, haben aus Dankbarkeit den Ort mit einer größeren Summe bedacht. Allerdings mit der Auflage, dort ein Gedenkzentrum einzurichten, und natürlich muss der wackere Dorfpolizist die Richtigkeit dessen Angaben zuerst überprüfen.

Eine Menge Stoff für einen einzigen Kriminalroman, viel zu viel. Vor allem dann, wenn auch das Privatleben des Protagonisten d.h. seine Frauengeschichten noch beträchtlichen Raum einnehmen. Und gerade letzteres Thema ist mittlerweile nach sieben Bänden dann doch etwas überstrapaziert. Über diese Verwicklungen im privaten Bereich, dieses ewige Hin und her, möchte man nun wirklich nichts mehr lesen. Wenn dann noch der Dorfpolizist, mit einer natürlich wunderschönen FBI-Agentin an seiner Seite, zum Superagenten à la James Bond mutiert, wird es dann völlig unglaubwürdig.

Wenn ein englischer Historiker und Wahlfranzose sich Themen wie die Radikalisierung junger Muslime in Frankreich vornimmt, hätte ich mir doch eine etwas differenziertere Betrachtungsweise gewünscht. Hier hat sich der Autor eindeutig verhoben, zumal seine Aussagen, gerade unter dem Eindruck der aktuellen politischen Ereignisse in Frankreich, sehr simpel schwarz-weiß gemalt daherkommen.

Zumindest in Ansätzen wird die Geschichte wie immer durch Walkers‘ Beschreibungen des französischen Savoir-Vivre gerettet, die diesen Landstrich und seine Bewohner in gewohnt liebenswürdiger Weise darstellen.

Kommentare

Zmei kommentierte am 12. August 2015 um 16:08

Wow, was für eine sachliche wie aussagekräftige Rezension! Danke!

Havers kommentierte am 13. August 2015 um 13:04

Vielen Dank!