Rezension

Tolles Jugendbuch

Krähenschrei - Torsten N. Siche

Krähenschrei
von Torsten N. Siche

Bewertet mit 4 Sternen

“Jede Seele ist ein Tümpel. Du kannst nichts erkennen, du weißt nicht, wie tief es hinuntergeht.” Ich schüttle den Kopf. “Inga ist mehr wie ein Bergsee. Ganz klar, ganz rein, normalerweise kannst du bist auf den Grund sehen.”

Enzo liebt Inga und möchte es ihr endlich sagen. Er wartet auf sie im Wald, um mit ihr wie immer joggen zu gehen. Doch sie kommt nicht. Enzo macht sich Sorgen und läuft zu ihrem Haus, wo er nur abgewiesen wird. Inga bricht den Kontakt zu ihm ab und trifft sich ausgerechnet mit Melody, Eunice und Vesna, einer Mädchengang, die stets für Unruhe sorgt. Enzo kann nicht glauben, dass Inga sich mit der Mädchengang angefreundet hat und beginnt, zusammen mit seinen Freunden Moritz und Arne, die Mädchen zu beschatten. Dabei macht er Entdeckungen, die sein ganzes Leben verändern. Als dann auch noch Inga spurlos verschwindet und ein Mädchen aus der Gang tot aufgefordert wird, ist allen klar, dass die Sache gefährlicher ist, als jeder geahnt hat..

“Krähenschrei” war für mich ein absolutes Experiment, denn ich kannte weder den Klappentext, noch sonst irgendwas über dieses Buch. Vielmehr habe ich dieses wunderschöne Cover in der Bücherei meines Vertrauens entdeckt und musste es einfach mitnehmen. Zwar habe ich anhand des Covers eine ganz andere Story erwartet, bin aber dennoch sehr begeistert von dieser Geschichte.

Torsten N. Siche hat bei diesem Buch einen sehr einfachen Schreibstil gewählt. Die Sätze sind kurz, schlicht und immer aus der Ich-Perspektive geschrieben. Durch die kurzen Abschnitte und Sätze lässt sie dich Geschichte recht schnell lesen. Ein Thriller war das Buch lange Zeit nicht für mich, viel mehr ein Jugendbuch mit Tiefgang, bei dem Gewalt und Mobbing eine große Rolle spielen. Allerdings steigt die Spannung im Laufe der Geschichte immer mehr, sodass dieses Buch durchaus in dieses Genre einzuordnen ist.
“Krähenschrei” wird aus der Sicht von mehreren Charakteren erzählt. Am häufigsten kommt allerdings der 17-jährige Enzo zu Wort.

Die Charaktere kann man hier am besten als schwierig bezeichnen. So manches Verhalten konnte ich nachvollziehen, Sympathien allerdings für niemanden aufbringen. Sehr negativ ist mir Enzo aufgefallen. Ich wusste nie so recht, was ich von ihm halten soll: Ist er ein netter Junge, der nur helfen will? Ist er ein Stalker? Ist er sogar schlimmeres? Vor allem seine Gefühle zu Inga kann man nahezu als krankhaft beschreiben:

“Noch nie habe ich sie geküsst, noch nie angefasst. Trotzdem richte ich gerade mein ganzes Leben nach ihr aus. Die Schule ist mir egal, die Polizei ist mir egal und auch ob ich je wieder nach Hause zurück kann, interessiert mich im Moment nicht. Hauptsache ich kann Inga retten. Hauptsache wir zwei haben noch eine Chance. Und irgendwann ein Haus zusammen, Kinder und eine Schaukel im Garten.” (Seite 79)

Interessant dagegen war Vesna. Sie ist absolut kein Unschuldsengel und ist sehr kriminell, dennoch fand ich ihre Motive für dieses Verhalten interessant. Ich konnte sie und ihre Gedanken verstehen, allerdings habe ich mich immer wieder gefragt, ob das ganze Verhalten tatsächlich nötig ist.
Inga, die hier in dem Buch verschwindet, ist ebenfalls kein Unschuldslamm, zwar ist sie hier klar das Opfer, aber dennoch habe ich auf keiner einzigen Seite besonders viel Mitleid für sie empfunden.

Die Charakter sind aber trotz ihrer ganzen Fehler und Schwächen kein Minuspunkt für dieses Buch, denn die ganzen Ungereimtheiten machen diesen packenden Thriller aus und durch die Unvorhersehbarkeit ist der Spannungsbogen bis zuletzt erhalten geblieben.

Das Cover ist, wie oben bereits geschrieben, ein absoluter Hingucker. Die Schmetterlinge und der Stacheldraht passen sehr gut zusammen und geben ein tolles Bild ab.

Insgesamt konnte mich “Krähenschrei” trotz der unsympathischen Charaktere von sich überzeugen. Wer gerne Jugendbücher mit Thrillerelementen liest, ist bei diesem Buch bestens aufgehoben. Empfehlenswert.