Rezension

Überraschendes Ende

Überlebensgroß - Mark Watson

Überlebensgroß
von Mark Watson

Bewertet mit 2.5 Sternen

Der Hochzeitsfotograph Dominic Kitchen verbringt seine Samstage mit glückseligen Brautpaaren. Schwer zu ertragen für Dominic, dessen einzig wahre Liebe unerreichbar geworden ist. Dafür sitzt er bald in einer trostlosen Ehe mit einer quengelnden Tochter fest und seine alte Sehnsucht nagt an ihm. Es kommt der Moment, in dem er seinen Empfindungen nachgibt.

Meinung:

Ich finde es schwierig diesem Roman gerecht zu werden. Denn ich habe selten ein Buch mit derart starken Gegensätzen gelesen. „Überlebensgroß“ ist gleichzeitig facettenreich und eintönig. Es läuft vorhersehbar und vollkommen überraschend ab. Es ist inspirierend und manchmal einschläfernd. Es ist abstoßend und anziehend. Kalkuliert und unberechenbar. Konventionell und Tabubrechend. Banal und philosophisch. Tragisch und bisweilen komisch. Hintergründig und plakativ. Ein Unterhaltungsroman, der sich in die Gefilde gehobener Literatur verirrt hat. Ein Buch also mit Stärken und Schwächen. Und schon aus diesem Grunde absolut menschlich.

Von daher sei es Mark Watson verziehen, dass im der Roman etwas über den Spann gerutscht ist, dafür schlägt der Ball in der Nachspielzeit genau unter der Latte ein. Unhaltbar für einen Kritiker, der sich einen Leseorkan begibt, der manchmal auf der Stelle steht. Denn irgendwie geht es immer um die Liebe, ein Gefühl, dass auf Hochzeiten fotografisch festgehalten und verewigt werden soll und doch so leicht entgleitet wie ein falsches Wort an die Geliebte.

So beginnt das Buch in den Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Der Leser bekommt einen Einblick in Dominics viktorianisch geprägte Kindheit, in der eine elterliche Sprachlosigkeit vorherrschte. Die sechziger und siebziger sind eine Zeit des Aufbruchs und des Abschiednehmens. Mark Watson reißt viele Themen an, wie die Fußball Begeisterung des Vaters, dessen spätere Erkrankung oder den dynamisch beginnenden Lebenswandel der Schwester, der alsbald in einer typisch englischen Upper class Ermattung mündet, die nur noch mit Champagnerflöten und Whiskey zu ertragen ist. Dominic stolpert hingegen ins Leben, von einem Beruf getragen, der ihn fortwährend mit seiner unerfüllten Sehnsucht konfrontiert. Die Liebe zu einer Frau.

Die Hochzeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Dominic begegnet der Situation mit einer tüchtigen Portion Zynismus, weil die Haltbarkeitsdauer von Eheversprechen in jedem Jahrzehnt weiter zusammen schmilzt, als hinge dies mit dem Klimawandel zusammen. Ewig muss er diese glücklichen Ehepaare ablichten, um sich anschließend mit den Brautjungfern zu vergnügen.

Leider kommt mir diese gesamte Anfangsphase, wie ein schwarz weiß Film daher. Man spürt die fünfziger Jahre nicht, die sechziger und siebziger auch nicht. Sie werden nur behauptet, weitestgehend ausstaffiert mit einem Standardpersonal von der Stange. Der fiese Bruder, die unkonventionelle Schwester, die drögen Eltern. Und immer wieder grüsst das Murmeltier, befinden wir uns auf einer neuen Hochzeit, die fotografiert werden muss. Dazu kommt zu Beginn ein ungemein schwachbrüstiger „Ich“ – Erzähler Dominic. Das fünfte Rad am Familienauto gewinnt erst spät an Konturen und macht erst dann ein Fass auf, als es am Überlaufen ist. Diese waghalsig angelegte Figur erzeugt Authentizität und macht „Überlebensgroß“ lesenswert. Der Roman mündet in ein furioses Finale, das alle handwerklichen Schwächen übertüncht. Ich warte auf den Film zum Buch.