Rezension

Ungeschönter Blick hinter die Kulissen der Haute Cuisine

Die Irren mit dem Messer - Verena Lugert

Die Irren mit dem Messer
von Verena Lugert

Verena Lugert ist eine Quereinsteigerin am Herd, die es mit Ende dreißig noch einmal wissen will. Sie quittiert ihre Journalistenkarriere und wagt den Sprung in ein Metier, das sie bereits als Kind fasziniert und ihr gesamtes bisheriges Leben begleitet hat: Kochen, und zwar von der Pike auf. eine konventionelle Lehre würde aber zu lange dauern, und so schreibt sich Lugert in London an einer Zweigstelle der berühmten Kochschule „Le Cordon Bleu“ für einen Intensivkurs in sieben Monaten ein, der sie nach bestandener Abschlussprüfung mit einem „Diplôme de Cuisine“ in die Kochszene entlassen wird. Sie bleibt in London, und dann läuft es für sie wie nach Plan. Nach erfolgreichem Probearbeiten in einem neueröffneten Restaurant des berühmt-berüchtigten Sternekochs Gordon Ramsay erhält sie dort eine Anstellung als Commis, in der Küchenhierarchie sozusagen der Depp vom Dienst. Ihr Arbeitsalltag besteht fortan aus Waren verräumen, Arbeitsflächen putzen, Gemüse schneiden – alles, nur nicht kochen. Die Arbeitstage sind lang (16 Stunden üblicherweise), der Lohn gering (etwas über 4 Pfund), die Kollegen alles andere als freundlich und verständnisvoll. Frustration macht sich breit, und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis Verena Lugert ihr Experiment als gescheitert betrachtet und die Flinte ins Korn wirft.

Aber nach einem knappen Vierteljahr erreicht sie den Punkt, an dem sie ihre eigenen Fähigkeiten und ihr Verhalten in der Gruppe reflektiert und zu der Erkenntnis kommt, dass sie es selbst in der Hand hat. Das A und O in einer Restaurantküche ist die Organisation (Chaos entsteht ganz von selbst), von daher müssen bestimmt Abläufe minutiös geplant und eingehalten werden und der eigene Arbeitsplatz muss korrekt vorbereitet werden (Mise en place). Das ist die Lektion, die Lugert auf die harte Tour lernt. Gleichzeitig perfektioniert sie ihre Kochkünste, und so wird sie zunehmend auch mit verantwortungsvolleren Aufgaben betraut. Und am Ende ihres „Küchenpraktikums“ ist sie so fit, dass sie sich sogar traut, an einem von Ramsay organisierten internen Wettbewerb teilzunehmen.

Es ist ein ungeschönter Blick hinter die Kulissen der Haute Cuisine, den Verena Lugert ihren Lesern in ihrer Reportage „Die Irren mit dem Messer“ gewährt. Besessene Köche schuften in der Sterne-Gastronomie unter eigentlich unzumutbaren Arbeitsbedingungen für einen Hungerlohn. Über die Motivation lässt sich streiten. Zum einen wollen sie natürlich ihre Fähigkeiten perfektionieren, zum anderen geht es aber in manchen Fällen auch nur darum, ihrer CV ein Highlight hinzuzufügen. Unbestritten bleibt, dass die monetäre Anerkennung ihnen weitestgehend verwehrt bleibt. Geld verdienen kann nur derjenige, der andere für sich arbeiten lässt. Wie Gordon Ramsay.