Rezension

Ungewöhnlich und gut

Narrenturm - Andrzej Sapkowski

Narrenturm
von Andrzej Sapkowski

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der Narrenturm ist eine Mischung aus historischem Roman und Fantasy, ungewöhnlich in der Sprache und reich an historischen Details.

Der Roman spielt während des zweiten Hussiten Kreuzzugs (1423), kurz nach dem Konstanzer Konzil, in Böhmen und Schlesien. Der 23jährige Reinmar, ein magisch begabter Gelehrter aus verarmtem Adel, schläft mit einer verheirateten Frau, wird erwischt und gerät auf der Flucht immer tiefer in den Kampf zwischen der katholischen Kirche und ihren Widersachern. Und dennoch zieht ihn die Frau, Adele von Sterz, an. Trotz Inquisition, geheimnisvoller Morde an Kaufherren und der Verfolgung durch die wütenden Schwager seiner geliebten hört Reinmar auf sein Herz statt auf seine Vernunft. Er trifft auf seiner Odyssee die unterschiedlichsten Menschen (oder andere Wesen) – insbesondere Frauen – und lernt einiges über das Leben, Freundschaft und die Magie.

Der Stil des Romans ist zunächst einmal sehr gewöhnungsbedürftig. Wörtliche Rede wird nicht mit Anführungszeichen markiert. Am Anfang war ich so oft unsicher, was Erzählung und was Dialog war. Aber man gewöhnt sich sehr schnell daran. Die bildhafte und manchmal deftige, manchmal philosophische Sprache macht dann richtig Spaß. Obwohl ich sagen muss, dass mir die deftigen Stellen manchmal zu deftig waren.

Am besten gefielen mir die ungewöhnlichen Charaktere. Reinmar kann man häufig sehr gut verstehen, seine Gefährten irritieren und überraschen einen mit unterschiedlichsten Handlungen. Aber die meisten Handlungen sind nachvollziehbar – oder werden, wie angedeutet wird, in den Nachfolgebänden erklärt.

Was ich als eher negativ empfand waren die lateinischen und sonstigen Einschübe (italienisch, altenglisch, mittelhochdeutsch, französisch, polnisch...). Zwar gab es einen Anhang mit Erklärungen, aber in der Masse störte es den Lesefluss schon.

Genauso störten mich die überlangen Namenslisten von Rittern, Fürsten und Kirchenmännern, die irgendetwas mit dem Konflikt zu tun hatten. In seiner Genauigkeit wird Sapkowski oft etwas zu ausführlich. LeserInnen, die sich nicht mit der böhmischen Geschichte Anfang des 15. Jahrhunderts beschäftigt haben, können sich leicht langweilen oder zumindest recht dumm vorkommen. Insgesamt braucht man schon eine gute historische Allgemeinbildung, um den Roman einigermaßen zu erfassen und an manchen Stellen auch ziemliches Spezialwissen. Zumindest war ich teilweise - wenn auch selten - überfordert.

Die eigentliche Handlung hingegen ist rasant, wechselhaft und spannend. Dabei werden immer wieder Handlungsstränge verlassen, um später weitergeführt zu werden. Viele Dinge bringen einen, wenn man sie sich bildlich vorstellt, zum Lachen.

Fazit: Insgesamt ein schöner, ungewöhnlicher Roman über das Ende des Mittelalters, wenn auch mit einigen Längen.