Rezension

Ungewohnte erzählerische Schwächen

Things We Never Said - Geheime Berührungen - Samantha Young

Things We Never Said - Geheime Berührungen
von Samantha Young

Bewertet mit 3 Sternen

Samantha Young ist eine Muss-Autorin für mich, die vor einigen Jahren genau zum richtigen Zeitpunkt für mich kam. Inzwischen lese ich erotiklastige Literatur deutlich weniger, aber ihr würde ich dennoch weiterhin blind vertrauen. Deswegen war es für mich durchaus auch überraschend, dass sie in Deutschland in den letzten Jahren eine immer kleinere Nummer geworden ist. Denn von einem drastischen qualitativen Abfall kann man nun wahrlich nicht reden. Ein Argument ist für mich sicherlich, dass ihre Hartwell-Love-Serie mit großen zeitlichen Abständen entstanden ist. Die Wartezeit auf „Things We Never Said“ nach dem zweiten Band war wirklich elendig lang. Umso glücklicher bin ich, dass es der dritte Band nun endlich in die deutsche Übersetzung geschafft hat.

An der Hartwell-Reihe hat mir von Anfang an gut gefallen, dass sie etwas gemütlicher durch den kleinen Küstenort wirkt, in dem sie spielt. Natürlich werden immer noch leidenschaftliche Liebesgeschichten erzählt, aber es ist dennoch eine andere Atmosphäre. Daher war es für mich schon überraschend, dass „Things We Never Said“ so deutlich von diesem Muster abweicht. Denn nahezu der komplette erste Teil spielt in Boston, wo Hauptfigur Dahlia herkommt. Boston ist eine Großstadt, was zwar in der Geschichte nicht übermäßig zum Tragen kommt, aber dennoch hat sich die Atmosphäre sofort geändert. Zweitens kommt hinzu, dass ihre Liebesgeschichte zu Michael zwar stets präsent ist, aber im ersten Teil spielt sie dennoch nur eine Nebengeschichte. Denn der erste Teil ist im Grunde Dahlias Familie gewidmet. Das hat sich für die tragische Familiengeschichte mehr als angeboten, dennoch ist es total ungewöhnlich für Young.

Dementsprechend war ich auch ganz hin- und hergerissen, wie ich diese Fokusverschiebung empfinden soll. Warum es definitiv etwas zu kritisch zu beäugen ist, ist sicherlich auch der Erzählstil. Es gibt immer wieder mal Rückblenden, um die Anfänge der Liebesgeschichte von Dahlia und Michael sowie die Katastrophe darzulegen, die zum großen Bruch geführt hat. Diese Rückblenden sind zeitlich aber durcheinander gewählt worden, so dass die Orientierung hier hohe Konzentration erfordert hat. Zudem gibt es nach den Rückblenden jeweils eine gedankliche Einordnung von Dahlia, die aber in einer seltsamen Zeitform geschrieben sind. Ich weiß nicht, ob es hier an der deutschen Übersetzung liegt, aber ich fand diese Übergänge oft sprachlich sehr holprig und das kenne ich von Young sonst nicht. Zudem wird lange verzweifelt das große Geheimnis zurückgehalten, aber so offen dilettantisch, dass sich erneut Brüche für mich ergeben haben. Wenn Dahlia sich ihrer Familie anvertraut, der Leser aber nicht erfährt, was sie gerade anvertraut hat, dann ist das schon eine seltsame Entscheidung.

Neben diesen handwerklichen Aspekten, die den Leseeinfluss doch erheblich beeinträchtigt haben, ist es aber dennoch so, dass ich von der Geschichte eingenommen war. Insgesamt ist sie mir zu dramatisch. Sei es Beziehung mit bestem Freund, sei es Beziehung mit Schwester, sei es die Probleme mit der Mutter, sei es die große Tragik. Es gibt immer wieder Enthüllungen, die die zuvor noch einmal toppen, wobei das etwas ironisch gemeint ist. Ich mochte die Chemie zwischen Dahlia und Michael, vor allem auch, weil man ihnen abgekauft hat, dass es eine epische Liebesgeschichte ist, der immer wieder Steine in den Weg gelegt wird. Der zweite Teil des Buchs ist auch wieder Liebesgeschichte durch und durch und spielt auch wieder in Hartwell. Die altbekannten Figuren tauchen auf, es fühlt sich direkt wieder vertrauter an. Auch der kriminelle Aspekt durch die Devlins bleibt wieder erhalten und gibt eine gute Portion Spannung mit. Schade fand ich wiederum, dass das letzte Geheimnis von Dahlia für Michael im Endeffekt eine Art Kopie von Jessica aus dem ersten Band ist. Das wird zwar auch selbstreflexiv angesprochen, deswegen wirkt es innerhalb einer Reihe nicht variabel genug. Zumal es für mich persönlich ein Argument ist, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Fazit: Die Wartezeit auf „Things We Never Said“ war lang und die Vorfreude konnte mit dem Endergebnis nicht gänzlich bedient werden. Das Buch weist ungewohnte holprige Erzählstilelemente auf, wobei ich hier nicht einschätzen kann, ob ein Teil nicht der Übersetzung anzulasten ist. Jedenfalls war vieles für ein Young-Roman ungewöhnlich und dennoch ist es kein Roman, der mich völlig enttäuscht hat. Aber ihr bester ist es definitiv auch nicht.