Rezension

Unglaublich, dass dieses Buch 1865 geschrieben sein soll

Von der Erde zum Mond - Jules Verne

Von der Erde zum Mond
von Jules Verne

Bewertet mit 5 Sternen

Im Kanonenclub in Baltimore kommt nach Ende des Bürgerkrieges Langeweile auf, da kein neuer Krieg in Sichtweite ist. So setzen sich die ganzen Spezialisten aus den Bereichen Ballistik, Physik und Mathematik zusammen und kommen mit einem wahnwitzig erscheinenden Plan auf: Ein Geschoss zum Mond schießen. Nach vielen Berechnungen beginnt man mit den Vorbereitungen, um dieses Projekt auch umzusetzen.

Es ist kaum zu glauben, dass dieser Roman schon Mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde. Jules Verne hat damit ca. 100 Jahre zu früh gelegen, und damit erstaunlich treffsicher: Vergleicht man seine Beschreibungen mit dem wahren Beginn der Raumfahrt gibt es erstaunlich viele Überschneidungen. Alleine diese unglaublichen Zukunftsvisionen sind 5 Sterne wert!

Auf den Schreibstil muss man sich erst mal einlassen, und ich gebe zu, ich habe den Roman auch nicht am Stück gelesen, sondern erst die eine Hälfte, und dann mit großem Abstand die zweite Hälfte. Die Sprache ist in dieser veralteten Form recht anstrengend zu lesen, und es kommen auch viele viele Zahlen im Text vor. Jedes Detail wird genauestens dargelegt, die Berechnungen für das Geschoss, die Columbiade, die Materialien werden mit Vor- und Nachteilen beschrieben. Doch dadurch wird es keinesfalls langweilig oder gar langatmig. Für mich machten diese Recherchen einen Großteil des Banns des Buches aus. Ich musste mir immer wieder vor Augen halten, wann Jules Verne es verfasst hatte.

Neben den technischen Aspekten kommen vor allem kulturelle Anspielungen vor. Diverse Nationen bekommen ihr Fett weg, ganz vorne weg die Amerikaner. Mit ihrer schier unbegrenzten Leidenschaft für etwas oder jemanden, wenn sie einmal verfallen sind, und ihrem gleichzeitigen Erfindungsreichtum, was die verrücktesten Dinge angeht, werden sie sehr ironisch und doch realistisch dargestellt. Und natürlich die Grundlage des Ganzen, dass den amerikanischen Ballistikern langweilig wird, da man ja nicht einfach einen neuen Krieg anzetteln könne (und sie gehen wirklich jede angespannte Lage auf der ganzen Welt durch, bevor sie sich dagegen entscheiden), entbehrt nicht einem beißend-ironischen Unterton bzgl. der Liebe der Amerikaner zu Waffen. Gleichzeitig werden aber im ganzen Buch Kleinigkeiten eingestreut, die den aufmerksamen Leser zum Lachen bringen, und man erkennt auch die eigene Nation wieder.

Für ein toll geschriebenes Buch, brillianten Humor im kleinsten Detail und ein Gefühl für technologische Errungenschaften weit seiner Zeit voraus kann ich nur 5 Sterne geben. Ich empfehle es jedem, der sich für Technik begeistern kann und auch ein wenig Verständnis für die Eigenarten der Völker aufbringt.