Rezension

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Unglaubliche aber wahre Weltreise mit einem Faltboot

Der Flussregenpfeifer -

Der Flussregenpfeifer
von Tobias Friedrich

Tobias Friedrich erzählt in seinem Roman die Geschichte des Oskar Speck nach einer wahren Begebenheit.

Speck bricht 1932 mit seinem Faltboot von Ulm nach Zypern auf um in einer dortigen Kupfermine das Geld für seine Schulden zu verdienen. Ein halbes Jahr später möchte er bei seinem besten Freund und Geschäftspartner Karol und seiner Geliebten Lieslotte zurück in Hamburg sein und nochmal neu anfangen.

Aus der geplanten Reise wird aber ein Lebens- wenn nicht sogar Überlebensprojekt für Oskar. Gezwungen von seinen Gläubigern nimmt er an einem Faltbootwettrennen teil um das Preisgeld gleich zusätzlich zu den Schulden an selbige auszuhändigen. Durch betrügerische Umstände gelangt Oskar allerdings nicht als erster auf Zypern. Kurzerhand beschließt er einfach weiterzupaddeln nach Ceylon, unterwegs hat er mit Malaria, Überfällen, Gldnot, Hunger, Unwetter und seinem Gläubiger - einem Nazi zu kämpfen. 

Als Oskar ausgeraubt und schwer am Kopf verletzt in einem Krankenhaus auf Java liegt, kommt eine Reporterin, Gili Baum, vom Deutschen Klub zu ihm die seine unglaubliche Reise als Geschichte an die Berliner Illustrierte Zeitung verkaufen will. Er verliebt sich unsterblich in sie - unter den Wirren der damaligen Zeit - Hitler beginnt den 2. Weltkrieg, sowie Eifersucht und Missgunst durch einen Nebenbuhler- verlieren sich die beiden aber wieder. Oskar paddelt weiter und schafft das unglaubliche nach 7 Jahren und 50.000 Kilometer später erreicht er Australien - und wird als deutscher Spion bis Kriegsende als Kriegsgefangener festgehalten.

Schließlich macht er - zur rechten Zeit am rechten Ort - einen Opalhandel auf und lebt zurückgezogen in den Hügeln Australiens - bis Gili zufällig den totgeglaubten stillen Helden wiederfindet.

 

Der Flussregenpfeifer ist ein ungewöhnliches Buch, zu dem man nach und nach Zugang erhält - immer wieder wechseln Orte und Zeitebenen, Briefe, Interviews oder aktuelle Erlebnisse um Oskars Reise für den Leser die Perspektive und er muss sich die Zusammenhänge erarbeiten. 

Spannend ist es Oskars Reise im Zusammenhang des damaligen Zeitgeschehens zu lesen, die Machtergreifung Hitlers, die Olympiade in Deutschland, britische Kolonien auf Indonesien, der Beginn des 2. Weltkriegs - trotz all dieser Ereignisse die Oskar (indirekt) betreffen, scheint er wie losgelöst von all diesem. Für ihn zählt nur der Weg und das Unterwegssein mit seinem Faltboot. Auch die Beziehung zu seiner großen Liebe Gili ist eigenartig intensiv ohne das Tobias Friedrich dies mit großen Worten beschreibt. Er schafft es meisterhaft, dass man zwischen den Zeilen liest - wie sehr Oskar zerrissen ist zwischen der Sehnsucht nach Gili und der Sehnsucht des Paddelns. 

Insgesamt sind es unglaublich viele Personen die Friedrich im Laufe des Romans auftreten lässt - viele davon sind echte historische Figuren, wie z.B. die Mitford-Schwester Diana. Dadurch bleiben aber tiefere Gedanken und Beweggründe der Charaktere meist unbeantwortet. 

In einer schönen Sprache schafft es Tobias Friedrich aber Oskars Eigensinn und Ehrgeiz auch zwischen den Zeilen greifbar zu machen. Toll sind die Szenen auf den indonesischen Inseln - der Dschungel, die Jazzmusik der 30er, die Speisen und Gerüche fliegen einem beim Lesen geradezu in Mund, Nase und Ohren. Die Gefangenenlagerpassagen und das “ewige“ Suchen, Verpassen und Finden mit Gili haben mich atemlos die Seiten umblättern lassen. Der Flussregenpfeifer ist ein Buch das mich nach dem Lesen noch lange beschäftigt - weil Oskar so eine unglaubliche Reise gemacht hat und keiner wirklich mehr davon weiß - weil einer wie Oskar bisher in keinem Buch zu finden war und vor allem weil Friedrich vieles nur andeutet und nicht weiter erläutert, manches sogar offen lässt. Ich mag das.