Rezension

Verbotene Liebe in einer dunklen Zeit

Die verbotene Zeit - Claire Winter

Die verbotene Zeit
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Zwei Zeitebenen, ein dunkles Geheimnis, Liebe und Verrat: Claire Winters Roman „Die verbotene Zeit“ gehört ganz klar in die Reihe der Bücher, in denen es um Familiengeheimnisse geht. Ein Genre, das ich immer wieder gerne lese, in dem es aber auch viel Kitsch gibt. Das trifft auf „Die verbotene Zeit“ schon mal nicht zu. Im Gegenteil: Der Roman ist mitunter einer der besten in diesem Genre, den ich je gelesen habe. Die Geschichte beginnt 1975 in London und wir lernen die junge Journalistin Carla kennen, die sich gerade erst von einem schweren Autounfall erholt. Das Tragische: An gut ein halbes Jahr vor dem Unfall kann sich Carla nicht mehr erinnern. Weil sie aber das Gefühl hat, von ihrem näheren Umfeld belogen zu werden, setzt sie alles daran, die verlorene Zeit zu rekonstruieren. In ihrem Notizheft findet Carla die Telefonnummer des Journalisten David Grant und erfährt von ihm, dass sie vor ihrem Unfall auf der Suche nach ihrer Schwester war. Anastasia verschwand vor 16 Jahren spurlos an der Küste von Cornwall und gilt seitdem als tot. Auf was war Carla vor ihrem Unfall gestoßen? Was verschweigen ihre Eltern ihr? Die Suche führt Carla in das Berlin der 1930er Jahre – in eine dunkle, grausame Zeit. Winter schreibt sehr lebendig, bildgewaltig und emotional. Von Anfang an wird man regelrecht in die Geschichte hineingezogen und kann das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Dazu trägt auch der gut ausgearbeitete Spannungsbogen bei. Die Charaktere sind sehr lebensecht und ihr Handeln plausibel. Da ein Teil der Geschichte im Berlin der 30er Jahre spielt, geht es im Roman natürlich zu großen Teilen auch um die Machtergreifung Hitlers. Wie Winter dieses historische Ereignis in ihrem Roman verarbeitet ist mehr als gelungen: Beinahe fassungslos verfolgt man als Leser mit, wie schnell sich die Ereignisse überschlagen: Da machen die liberalen Berliner Bildungsbürger 1932 noch Witze über die Nationalsozialisten und sind überzeugt, dass das nur eine vorübergehende Erscheinung ist. Nur knapp ein Jahr später werden aus Freunden und Nachbarn rechtlose Juden und wer sich gegen die Nazis stellt, ist plötzlich Volksfeind. Die Szenen, die Winter in diese Zeit gestellt hat, sind nicht nur extrem gut recherchiert, sondern auch sehr aufwühlend und machen betroffen. „Die verbotene Zeit“ ist ein wunderbar erzählter Roman über eine außergewöhnliche Freundschaft und eine verbotene Liebe in einer dunklen Zeit. Aber auch über große Verzweiflung und eine tiefe Schuld. Ein Roman, der unter die Haut geht.