Rezension

Verbrechen am Ostseestrand

Das Küstengrab - Eric Berg

Das Küstengrab
von Eric Berg

In einem kurzen Prolog werden wir Zeuge des Ereignisses, das dann im Mittelpunkt des ganzen Buches stehen wird. In knappen Andeutungen erfahren wir vom Verschwinden von Julian, einem Mitglied der Clique, die sich zu DDR-Zeiten regelmäßig im Palast trifft.
Der Palast ist eine verfallene Klosterruine am Rande der Insel Poel, die für die Jugendlichen ihre eigene Welt bedeutet. Hier verbringen sie viel Zeit miteinander, hängen ihren Träumen nach, schmieden Zukunftspläne und … kiffen. Die Gemeinschaft beginnt zu bröckeln, als die ersten von ihnen eine Ausbildung  beginnen und deshalb nicht mehr täglich auf der Insel sind. Und dann geschieht etwas …., danach ist nichts mehr wie zuvor.
All dies erfahren wir im Rückblick, als Lea nach einem viermonatigen Krankenhaushalt auf die Insel zurückkehrt. Im Mai ist die erfolgreiche Fotografin, die eigentlich in Argentinien lebt, in ihre Heimat zurückgekehrt, um gemeinsam mit Sabina, der älteren Schwester, eine lang zurückliegende Familien- und Immobilien- Angelegenheit zu regeln.  Gut 25 Jahre lang hatten die Schwestern keinen Kontakt und auch jetzt besteht keine Aussicht auf Versöhnung. Ein schwerer Autounfall, bei dem Sabina stirbt und Lea schwer verletzt wird, bringt die Vergangenheit ins Rollen.
Lea leidet unter den Folgen des Unfalls, sie hat eine schwere Amnesie erlitten und versucht nun, auch durch Begegnungen mit den früheren Freunden, aus vielen kleinen Bausteinen die Tage auf der Insel, die sie im Mai gemeinsam mit der Schwester verbracht hat, zu rekonstruieren.
Längst Vergangenes drängt sich immer wieder in den Vordergrund. Lea stellt Fragen und bekommt auch Antworten, aber sind diese Antworten immer richtig? Zumal die Jugendgefährten alle, jeder auf seine eigene Weise, im Leben gescheitert sind. Auch wenn sie äußerlich ein angenehmes und gut situiertes Leben führen, ist die Wirklichkeit eine andere. Neid und Missgunst von damals haben sich eher verstärkt und Lea fällt es nicht leicht zu erkennen, ob und wem sie Glauben schenken kann.

Erich Berg erzählt seinen Roman auf drei Zeitebenen, wobei zwei allerdings nah beieinander liegen. Dies sind die Wochen nach Leas Rückkehr nach Poel und die wenigen Tage des Zusammentreffens mit der Schwester vier Monate zuvor. In kurzen Einschüben blicken wir zurück auf den Sommer 1990, noch existiert die DDR als Staat, aber wie lange noch? Die Menschen versuchen sich in einem neuen Leben zurechtzufinden oder das alte zu bewahren, was den unterschiedlichen Protagonisten auch unterschiedlich gelingt. Unter anderem daran zerbricht die Clique, auch wenn sie es selbst nicht sofort merkt.
Überhaupt ist man als Leser der Hauptfigur Lea immer ein Stück voraus, wir wissen oft bereits, was Lea gerade erst in Erfahrung bringt. Obwohl ich diese Art der Erzählung sehr mochte, schafft Eric Berg es nicht immer, damit auch eine Spannung aufrecht zu erhalten. Leider hat das Buch im Mittelteil einige Längen und ein deutliches Spannungstief, an diesen Stellen neigt man dazu, die Seiten zu überfliegen und dann entgeht einem doch das ein oder andere Detail. Mehrfach habe ich deshalb auch zurückgeblättert und nachgelesen. 
Alles in allem habe ich den Roman doch gern gelesen, zumal auch mit der Insel Poel  ein nicht so abgegriffener Handlungsort gefunden wurde.