Rezension

Vermittelt viel geschichtliches Wissen

Erben des Schweigens - Sabine Dittrich

Erben des Schweigens
von Sabine Dittrich

Bewertet mit 5 Sternen

Die zufällige Entdeckung des Grabes ihrer jüdischen Großmutter während eines Urlaubs ist für die 28jährige Jael Winterstejn der Beginn der Suche nach der Geschichte ihrer Familie. Stationen ihrer Reise in die Vergangenheit sind Prag, wo die Großmutter als Deutsche bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt gelebt hat, das ehemalige Sudetenland, wo Jaels Mutter von Sudetendeutschen als Pflegekind aufgezogen wurde, sowie die Oberpfalz, wohin ihre Mutter mit ihrer Pflegefamilie 1945 von den Tschechen vertrieben wurde. Dort wird Jael jeweils mit den schlimmen Gräueltaten konfrontiert, die sich Deutsche und Tschechen im und nach dem Zweiten Weltkrieg wechselseitig angetan haben. Sie trifft den Tschechen Radek. Beide verlieben sich ineinander. Doch auch seine Familie ist nicht frei von Schuld an den Deutschen. Wird die Liebe zwischen einer Deutschen und einem Tschechen angesichts der Schatten der Vergangenheit eine Chance haben?

 

Eine fiktive Liebesgeschichte zwischen einer Deutschen und einem Tschechen wird vor ihrem gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund der Annektierung Hitlers im Jahr 1938 und der Geschehnisse im Sudetenland nach Kriegsende 1945 in berührender Weise erzählt. Der historisch interessierte Leser erlangt viele Informationen zur deutsch-tschechischen Geschichte, die von guter Recherchearbeit der Autorin zeugen. Beispielhaft seien die Benes-Dekrete, das Massaker von Lidice und Lezaky sowie das Blutgericht von Landskron genannt. Das Buch ist ein schöner Beitrag zur Versöhnung der Nachkommen der Kriegsgeneration. Es zeigt auf, wie Beziehungen über ehemals belastete Grenzen hinweg gelingen können.

 

In formaler Hinsicht ist die Untergliederung in viele kurze Kapitel, die an verschiedenen Orten in Deutschland und in Tschechien spielen und zwischen Gegenwart und Vergangenheit springen, zu loben. So erhält der Leser einen umfassenden Überblick und kann die schwere Kost, die die Schilderung der vergangenen Vorgänge bedeutet, erst einmal verdauen. Auflockernd wirkt der Schreibstil durch häufige direkte Anreden des Lesers und das Einstreuen tschechischer Vokabeln.

 

Mit nur 139 Seiten ein dünnes Buch, das es aber in sich hat und von mir uneingeschränkt empfohlen wird.