Rezension

Verschachtelte Geschichte

Phlox -

Phlox
von Jochen Schmidt

Bewertet mit 4 Sternen

 

Dieses Buch ist schon sehr anspruchsvoll, nicht so sehr in Bezug auf seinen Umfang (fast 480 Seiten) als vielmehr was die formale Erzählweise anbelangt. Es ist einfach sagenhaft, was der Autor an Informationen in einen einzigen Satz packt, der dadurch sehr verschachtelt wird. Solche Schachtelsätze reihen sich endlos aneinander. Oft füllt nur ein Satz eine Seite. Zum Problem wird dann, wo sich zwischendurch beim Lesen pausieren lässt. In meinen Augen ist das hohe Erzählkunst. Und noch eine formelle Besonderheit fällt auf – es gibt viele Klammereinschübe, entweder Erläuterungen oder verballhornte Äußerungen/Kindermund der Kinder des Ich-Erzählers. Der Buchtitel passt gut zum Inhalt. Denn die Geschichte entwickelt sich ähnlich vor uns wie die sich weit auffächernde Pflanze Phlox.

Inhaltlich kommt der Erzähler dann vom Hölzchen aufs Stöckchen. Er schildert seine wiederkehrenden Aufenthalte von Kindheit an in einer Art Pension in dem fiktiven Ort Schmogrow direkt an der deutsch-polnischen Grenze im Oderbruch. Die skurrilen Wirtsleute hatten einen Haufen Stammgäste und Angehörige, jeder einzelne mit einer ihm eigenen Historie, die nun geschildert wird. Auf diese Weise erhält der Leser ein umfassendes Bild über die deutsche Geschichte in einem Zeitraum zwischen vor dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur Nachwendezeit, wenngleich die Anzahl der Romanfiguren so groß ist, dass sich der Überblick kaum behalten lässt. Das eigene Leben des Erzählers wird längst nicht so offen gelegt. Hier hätte ich mir mehr Informationen gewünscht. Erfolgloser Dichter scheint er zu sein, die Trennung von seiner esoterischen Lebensgefährtin droht, die Zeiten in Schmogrow verklärt er.

Auf jeden Fall kein Nullachtfünfzehnbuch und deshalb sehr interessant.