Rezension

Verstrickungen

History of Loneliness - John Boyne

A History of Loneliness
von John Boyne

Bewertet mit 4.5 Sternen

John Boyne, ein wunderbarer Erzähler, wie sich herausstellte, fehlte mir noch in meiner Leseerfahrung. Deshalb war A history of loneliness auch mein erstes Buch von ihm. Ich werde wahrscheinlich weitere von ihm lesen, wenn ich dazu komme, seine Erzählweise hat mich gefesselt. Die Story über einen Priester ging mir thematisch nicht weit genug; sie hat halt nur einen kleinen Teil des Katholizimus thematisiert - dies aber bewegend.

Father Odran Yates Karriere kommt nicht so recht voran, obwohl er unerwartet als Jahrgangsbester ausgewählt wurde, ein Jahr in Rom zu verbringen. Diese Auszeichnung ist normalerweise der Beginn eines glänzenden Aufstiegs. Doch es haut nicht hin.

In Rom begegnet er im legendären Dreipästejahr 1978 den Päpsten Paul VI, Johannes Papst I sowie wiederum dessen Nachfolger Johannes Paul II. Dann wird er aus Rom abgezogen und verlebt Jahre ruhiger Tage im Terenure College in seiner Heimat Irland, bis ihn Archbischop Cordington in die Diöszese seines alten Buddy Tom Cardle versetzt. Aber wo ist Tom abgeblieben?

Dem Leser wird schnell klar, dass in Rom irgendwas passiert sein muss. Nur was? Wiki schreibt zu Papst Johannes Paul I folgendes: „Nach einem Pontifikat von nur 33 Tagen starb Johannes Paul I. in der Nacht vom 28. zum 29. September 1978. ... . Eine Obduktion seines Leichnams wurde sowohl von seiner Familie als auch vom Vatikan verweigert. Sein Tod ließ rasch zahlreiche Verschwörungstheorien aufkommen.“ Doch dies ist ein Nebenstrang, denn das Hauptaugenmerk des Buches ist auf die Schwierigkeiten des Zölibats und der Priesterschaft gerichtet.

Mein erstes Buch von John Boyne hat mich nicht restlos überzeugt. Im Mittelpunkt steht der Geistliche Odran Yates, der auch als Erzähler fungiert. Die Story ist glänzend erzählt ohne Frage. Anhand der lediglich mit Jahreszahlen überschriebenen Kapitel zur Orientierung des Lesers führt der Autor fast durch das ganze Leben des Priesters; thematisiert wird seine Kernfamilie, sein Charakter und die seiner Buddies, der Charakter der Kirche im allgemeinen sowie Father Yates ganz persönliche Verstrickung im Geschehen. Doch es fehlt sogar der minimalste Seitenblick auf die politische Lage des Landes, die doch mit Religion so viel zu tun hat. Meine Güte, Irland! Das Wort „The Troubles“ (Nordirlandkonflikt) taucht nicht einmal in einem Nebensatz auf. Aber niemand kann in Irland leben, ohne mit den spezifischen Konflikten des Landes in Berührung zu kommen und deshalb, selbst wenn nicht Hauptmotiv des Romans, halte ich es für unzulässig, den Nordirlandkonflikt in einem in Irland angesiedelten Roman gänzlich unter den Tisch fallen zu lassen.

Fazit: Ein eigentlich sehr berührendes Buch, das sich allerdings an seinem Motiv festkrallt und keine Sekunde Zeit verliert, den politischen Kontext herzustellen, was ich ihm etwas ankreide.

Kategorie: gehobene Literatur
Verlag: Doubleday, 2014