Rezension

Vier im Zug

bleiben
von Judith W. Taschler

Bewertet mit 4 Sternen

Es ist eine kurze, zufällige Begegnung auf der Reise nach Italien: Max, Paul, Felix und Juliane – vier junge Leute, voller Träume für die Zukunft, treffen im Nachtzug nach Rom aufeinander. Juliane und Paul werden heiraten, Max und Felix sich auf eine Weltreise begeben. Nach zwanzig Jahren trifft Juliane Felix zufällig in einer Galerie wieder und die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre, die er jedoch ohne jede Erklärung abbricht. Juliane fühlt sich grenzenlos in ihrer Liebe gekränkt. Erst Monate später erfährt Juliane - ausgerechnet von ihrem Mann -, warum Felix die Affäre beenden wollte. Die Wahrheit ist furchtbar und lässt das Leben aller eine dramatische Wendung nehmen. (von der Droemer-Knaur-Verlagsseite)

Hoppla, da fängt einer namens Paul an zu reden, man weiß nicht, mit wem, man weiß nicht, wozu. Und man weiß nicht, wer Paul ist, denn er wird nicht eingeführt und stellt sich auch nicht vor. Man erfährt lediglich, dass er im Juni 2015 in einer Kneipe sitzt, die Kosmos heißt, und dass die Affäre seiner Frau sein Thema ist.
10 Seiten und ein halbes Jahr später schaut Juliane (mit wem zusammen?) Fotos an. Sie leidet an Schuldgefühlen, weil sie als Mädchen den Tod ihres Bruders mit verursacht hat.
Später im Buch, aber früher in der Chronologie erzählt Felix von einem Segeltörn. Ebenso wie Max.
Man liest also von zunächst gesichtslosen Personen, hört sich an, was sie einem noch gesichtsloseren Gegenüber erzählen, hebt ein paar Puzzlesteine auf und entdeckt die ersten Überschneidungen in den Geschichten.

Und irgendwann ist es passiert: Gesichter formen sich, Lebenserzählungen bekommen einen Zusammenhang, und wer die Zuhörer sind, erscheint unwichtig. Denn ich = die Leserin bin auf jeden Fall Zuhörer.

Mich begeistert es ohnehin, wenn sich ein Autor eine neue Art einfallen lässt, um seine Geschichte zu erzählen. Und ich mag es auch, wenn sich Geschichten erst im Kopf des Lesers zusammensetzen und nicht vom Autor im Detail präsentiert werden.

Wie ich aus der Erinnerung am Ende herauslese, bediente die Autorin sich eines autobiographischen Ereignisses, um das Buch zu schreiben. Dieses Vorgehen kann leicht schief gehen, vor allem wenn besagtes Ereignis beim Schreiben noch frisch war. Doch hier berührt es.