Rezension

Völlig zu Recht ein Longseller

Das Muschelessen - Birgit Vanderbeke

Das Muschelessen
von Birgit Vanderbeke

Bewertet mit 5 Sternen

Autorin: Birgit Vanderbeke, Genre: Fiktion, Verlag: Piper, ISBN: 978-3-492-27400-5, 1. Auflage 1990, 128 Seiten, Preis Taschenbuch € 10,00.

Birgit Vanderbekes 1990 veröffentlichte Erzählung »Das Muschelessen« schildert den Zusammensturz einer scheinbaren Familienidylle innerhalb weniger Stunden. Vor einem Topf mit Muscheln wartet die Familie in der Küche auf die Rückkehr des Vaters von einer Dienstreise. Die volljährige Tochter und Ich-Erzählerin beginnt, mit dem abwesenden Patriarchen abzurechnen, der jüngere Bruder und die Mutter schließen sich an und am Ende des Abends ist nichts mehr, wie es war. (Klappentext)

Die Familie sitzt am Tisch und wartet auf den Vater, der sich eigentlich nie verspätet. Die Mutter hat Muscheln gekocht, die isst Vater am liebsten, alle anderen nicht, deshalb teilen sich Bruder und Schwester schon einmal die kalt werdenden Pommes, die Mutter dazu gereicht hat. Wenn er nicht bald kommt, sind die Muscheln ruiniert, aber das ist den Muscheln egal.

Während Mutter und Kinder warten, fangen sie an über den Vater zu reden, was sie sonst nie tun. In den Köpfen der Familie tauchen langsam Erinnerungen auf, unschöne, beklemmende. Die Mutter neige zur Harmonie, obwohl der Vater ihr vorwerfe, sie sei pingelig, weil sie jedes Jahr für die Steuererklärung Belege fordert. Belege für Spesen, wenn Vater seine Kollegen wieder einmal großzügig eingeladen hat, Belege die Vater nicht mehr hat. Von ausgegebenem Geld, das sie nicht mehr haben. Der Vater verlässt dann lautstark das Haus und die Mutter spielt Klavier und singt Schubert weil sie sich schuldig fühlt.

Fazit: Die Autorin hat über 128 Seiten ein düsteres Bild gezeichnet. Die ganze Familie ist depressiv und suizidgefährdet, weil der patriarchalische Vater alle tyrannisiert. Die Geschichte ist ein Longseller geworden, weil sie vortrefflich erzählt. Absolut empfehlenswert. 

Birgit Vanderbeke wurde 1956 im brandenburgischen Dahme geboren. 1997 erhielt sie den Kranichsteiner Literaturpreis, 1999 den Solothurner Literaturpreis und den Roswitha-Preis, für ihr erzählerisches Gesamtwerk. 2002 erhielt sie den Hans-Fallade-Preis. Die Geschichte wurde 1990 mit dem Ingeborg-Bachmann Preis ausgezeichnet. Die Autorin starb im Jahr 2021 überraschender Weise mit 65 Jahren.