Rezension

Vom Verschwinden und vom Bleiben

Eine andere Zeit -

Eine andere Zeit
von Helga Bürster

Bewertet mit 5 Sternen

ein sehr lesenswerter Roman

30 Jahre nach der Wende taucht in Kamp, einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern, eine mysteriöse Frau auf. Kann es sich um Ennes Schwester Suse handeln, die beim paneuropäischen Picknick an der ungarischen Grenze verschwunden ist?

Helga Bürster, Jahrgang 1961, studierte Theaterwissenschaften, Literaturgeschichte und Geschichte in Erlangen. Sie veröffentlichte Sachbücher und Regionalkrimis, ihr literarisches Debüt „Luzies Erbe“ erschien 2019.

In einem schnörkellosen, dennoch poetischen Stil erzählt Helga Bürster die Geschichte von Enne, Suse und ihrer Cousine Christina. Enne und Suse wachsen in Mecklenburg-Vorpommern auf, während Christina mit ihrer Mutter im Westen wohnt. Sie beginnt im Jahre 1974, erzählt chronologisch, immer wieder unterbrochen von den Ereignissen im Jahre 2019, nachdem die Fremde in Kamp auftaucht. Denn mit eben dieser Frau kommen alle Erinnerungen in Enne hoch, die sich fragt, was gewesen wäre, wenn ihre Schwester Suse sich gemeldet hätte.

Helga Bürster beschreibt das ruhige Leben in dem kleinen Dorf authentisch. Über vieles durfte nicht gesprochen werden. Das wird sehr deutlich, als Enne nach einer unüberlegten Aktion in die Fänge der Polizei gerät und ihr Vater ihr etwas aus seinem Leben erzählt, über das er schweigen muss.

Aber auch das Leben am Rande einer westdeutschen Großstadt ist nicht immer leicht, besonders für eine alleinerziehende Mutter mit wenig Geld. Christina hat keine Pläne für ihre Zukunft, sie sehnt sich nach Kamp und kann ihren Wunsch nach der Wende erfüllen.

Sprachlich und atmosphärisch hat dieser Roman mir sehr gefallen. Vieles bleibt offen, nicht alles ist nachvollziehbar. Deutlich wird, dass eine Entscheidung (oder ein Ereignis, das bleibt ebenfalls offen) nicht nur das Leben eines einzelnen verändert, sondern auch das der ihm Nahestehenden.

Das Cover mit dem Pflaumenzweig passt mit dem angenagten Blatt und den drei Früchten sehr gut zum Inhalt.

Fazit: ein sehr lesenswerter Roman