Rezension

Von Antihelden, Bränden und Schiffbruch ...

Die tristen Tage von Coney Island -

Die tristen Tage von Coney Island
von Stephen Crane

Bewertet mit 4 Sternen

Kurzgeschichten von Stephen Crane traten bisher auf mit dem konspirativen Hauch eines gigantischen Werks, von dem jedoch nur eine winzige Auswahl ins Deutsche übersetzt wurde. Bis zu seinem frühen Tod hatte Crane hunderte Storys als Auftragsarbeiten für Zeitungen verfasst, bei denen der Auftraggeber den Umfang bestimmte. Als Kriegsberichterstatter lag Crane im Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898) mit im Schützengraben; er kann offensichtlich differenzieren zwischen der Idealisierung von Schlachten und der schnöden Realität.

In „Das offene Boot“ nimmt man ihm als Leser des 21. Jahrhunderts ab, dass er seine Antihelden eigene – oft absurde – Erlebnisse erleiden lässt. Dass Crane Presseberichte seiner Zeit parodiert, wäre Lesern von heute ohne Wolfgang Hochbrucks unbedingt lesenswertes Nachwort vermutlich nicht auf den ersten Blick erkennbar. Crane führt seine Leser in diesen Storys in einen Krieg (zu dem Kanonen, Degen und Trompeter gehörten), lässt sie einen dramatischen Schiffbruch miterleben und zwingt sie zum Perspektivwechsel in die Epoche von Pferden gezogener Droschken und Feuerwehrgespanne.

Die drei letzten Erzählungen dieses Bandes „Crane bei Velestino“, „Unter Beschuss“, „Das starrende Gesicht“ liegen hier erstmals in deutscher Übersetzung vor. „Die tristen Tage von Coney Island“ stellt eine Besonderheit dar, weil die Story erst 70 Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung in einer Crane-Gesamtausgabe publiziert wurde.

Meine Favoriten sind die Storys „Die tristen Tage von Coney Island“ (zwei Schwimmer in einteiligen Badeanzügen würden vermutlich lieber ertrinken als sich dem befürchteten Spott anderer Menschen über diese Badeanzüge auszusetzen) und „Die Braut kommt nach Yellow Sky“ (Marshall Jack Potter bringt nach der Heirat seine Frau zeitgemäß mit dem Pullmanzug mit in seinen Einsatzort an der mexikanischen Grenze).