Rezension

Von italienischen Ruinen und Hollywood

Schöne Ruinen - Jess Walter

Schöne Ruinen
von Jess Walter

Bewertet mit 4 Sternen

Italien, 1962: Pasquale ist der Besitzer des einzigen Hotels im winzigen, von Klippen umschlossenen Dorf Porto Vergogna. Sein Traum ist es jedoch, das Dorf attraktiv für Touristen zu machen. Daher arbeitet er unermüdlich daran, einen Strand aufzuschütten und einen Tennisplatz aus den Klippen zu schlagen. Eines Tages steht dann tatsächlich eine amerikanische Schauspielerin vor seinem Hotel. Er verliert gleich sein Herz an sie, doch Dee Moray scheint todkrank zu sein...

Hollywood, in der Gegenwart: Claire ist ihren Job leid, denn seit die für den berühmten Filmproduzenten Michael Deane arbeitet, hat dieser keinen neuen Film mehr ins Kino gebracht, sondern sich auch Serien mit zweifelhaftem Ruf spezialisiert. Da stehen eines Nachmittags gleich zwei ungewöhnliche Männer vor ihr, die ihren Alltag gehörig durcheinanderwirbeln.

Das Cover zeigt ein kleines Dorf, das unmittelbar an den Klippen gebaut ist. In etwa so habe ich mir auch Porto Vergogna vorgestellt, nur dass dieser Ort wohl noch um einiges kleiner ist als der auf dem Foto. Insgesamt vermittelt die Aufmachung den Eindruck eines Sommerromans und macht Lust auf die Geschichte.

Das Buch steigt in der Vergangenheit ein und berichtet von der ersten Begegnung zwischen Pasquale und der amerikanischen Schauspielerin. Im nächsten Kapitel lernt der Leser in der Gegenwart Claire kennen. In diesem Schema schreitet die Handlung voran, sie wechselt meist nach einem Kapitel in eine andere Zeit. Es werden verschiedene Handlungsstränge auf verschiedenen Zeitebenen mit verschiedenen Charakteren vermischt. Auch wenn es bisweilen Konzentration erforderte, den Überblick über die chronologische Abfolge der Ereignisse zu erhalten, war immer nachvollziehbar, in welcher Beziehung die verschiedenen Handlungsstränge zueinander stehen und warum ausgerechnet in diesem Moment jene Geschichte aufgegriffen und erzählt wird.

Es entsteht eine Geschichte, die nicht stringent auf ein festgelegtes Ende hinsteuert. Vielmehr zeigt das Buch, welche räumlich und zeitlich weitreichenden Auswirkungen eine Entscheidung haben kann. Neben der Handlung in Porto Vergogna, die zeitlich am weitesten in der Vergangenheit liegt, und der Gegenwart in Hollywood, werden zahlreiche Episoden aus der Zeit zwischen diesen Ebenen aufgegriffen und erzählt, in der man die bekannten Charaktere wiedertrifft und mehr über ihr Leben in der Zwischenzeit erfährt. So zeigt sich allmählich, was zwischen der Begegnung in Porto Vergogna und der Gegenwart geschehen ist. Nach und nach erlangt der Leser Kenntnis über den gesamten Lebenslauf der Protagonisten. Im finalen Kapitel werden auch die letzten Lücken geschlossen und ein Blick in die Zukunft geworfen.

Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und facettenreich gestaltet, ebenso sind die Interaktionen bestens durchdacht. Trotzdem konnte ich mich nicht ganz in die einzelnen Personen hineinversetzen, sie blieben für mich recht unnahbar. Die Geschichte beschreibt ihr Leben, strebt aber nicht einem glücklichen Ende entgegen, sondern bildet die Unberechenbarkeit des Lebens ab und erzählt von der Möglichkeit einer zweiten Chacne, Mut, Reue, Vergebung und Liebe.

Was mir sehr gefallen hat, ist die Kontrastierung von Film, Theater, Musik und Literatur. Alle vier Medien spielen im Buch eine Rolle, werden verflucht, geliebt und gegeneinander abgewogen. In dieser Hinsicht ist Jess Walter eine sehr gelungene Abbildung der Medienlandschaft gelungen, die im Buch einigen Platz einnimmt und auch als Rahmen für die Handlung fungiert.

„Schöne Ruinen“ ist ein literarisch bestens ausgearbeiteter Roman, der zahlreiche Charaktere und Thematiken zu bieten hat, die in einer vielschichtigen Geschichte auf den Leser warten. Er ist auf der einen Seite ein romantischer Liebesroman, regt auf der anderen Seite aber auch zum Nachdenken über die Wendungen des Lebens und die Konsequenzen von Entscheidungen an. Ich empfehle das Buch an ältere Jugendliche und Erwachsene weiter.