Rezension

Von Lebenden und Toten

Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt - Jesmyn Ward

Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt
von Jesmyn Ward

Bewertet mit 5 Sternen

Jojo lebt mit seiner kleinen Schwester Kayla bei seinen Großeltern Ma und Pa. Seine Mutter Leonie kümmert sich nur sporadisch um die beiden, zu sehr ist sie mit sich selbst und ihrem Drogenkonsum beschäftigt. Nun soll sein Vater Michael aus dem Gefängnis entlassen werden und so packt Leonie die eher unwilligen Kinder ins Auto und macht sich auf die lange Fahrt nach Parchman um ihn abzuholen.

Aus diesem eigentlich simplen Setting entwirft Jesmyn Ward eine unheimlich stimmungsvolle Mischung aus Familiengeschichte, Gesellschaftsportrait und magischer Historiengeschichte. Ich mochte die Beziehung zwischen Jojo und seiner Schwester sehr und auch Ma und Pa habe ich aufgrund ihrer Werte, ihres Umgangs miteinander und mit ihrer Familie schnell ins Herz geschlossen. Die Familie ist arm, aber sie hat das Herz am rechten Fleck! Was man von Jojos anderen Großeltern wahrlich nicht behaupten kann. Dass ihr Sohn mit einer schwarzen Frau zusammen ist und auch noch zwei Kinder mit ihr gezeugt hat, können sie nicht akzeptieren.

Auch wenn gar nicht so viel passiert, wenn nur von der Fahrt und von bestimmten Begebenheiten aus Jojos, Leonies oder Pas Leben erzählt wird, hat mich die Stimmung total umgehauen. Ich hatte ständig entweder Angst um Jojo und Kayla oder ich war furchtbar wütend auf Leonie! Bei allen Fehlern ist aber selbst Leonie so beschrieben, dass man sie im Grunde versteht. Nicht, dass man ihre Entscheidungen gutheißen muss, aber man kann nachvollziehen, warum sie handelt wie sie handelt.

Neben den ganz und gar weltlichen Dingen wie den Drogen und den familiären Verstrickungen erzählt Ward auch ganz selbstverständlich von einer magischen Ebene der Welt. Nicht jeder hat ein Gespür dafür, aber sie ist da. Ob man Tiere zu verstehen meint oder Verstorbene sieht, die sich einfach nicht aus der echten Welt lösen können, weil es zu schlimm war, was sie dort haben erleben müssen.

Ward erzählt von Familie und Rassismus. Von Lebenden und Toten. Von Liebe und Leid. Ich habe es gar nicht erwartet, aber dieser Roman hat mich gefangen genommen, berührt und begeistert. Eine kompakte, absolut gelungene Geschichte mit besonderem Touch, mit viel Schmerz aber auch ein wenig Hoffnung. Ein Highlight!