Rezension

Vorsicht, Karies!

Tage wie Salz und Zucker
von Shari Shattuck

Bewertet mit 2 Sternen

Kennt ihr das, wenn man auf dem Jahrmarkt so viele Süßigkeiten und Zuckersachen in sich hineingestopft hat, dass es einen überall kribbelt und krabbelt und man eigentlich nur noch duschen oder etwas Deftiges essen möchte (wahlweise beides)? Genau so geht es mir jetzt nach Beendigung dieser Lektüre.

Lasst mich euch die Hauptpersonen des Buches vorstellen. Zuerst haben wir da Ellen. Ellen ist eine junge Frau mit einer schrecklichen Vergangenheit. Im Alter von fünf Jahren von ihrer versoffenen, möglicherweise drogensüchtigen Mutter verlassen wie ein Stück Dreck, wuchs sie bei verschiedenen Pflegefamilien auf, die alles andere als familientauglich waren. Weil Ellen von ihrer Mutter schwerst misshandelt wurde (Gesicht auf heiße Ofenplatte gedrückt), wurde sie immer als Freak angesehen. Mittlerweile ist Ellen erwachsen, arbeitet als Putzfrau, verkriecht sich ansonsten zuhause in ihrer engen Wohnung, die sie mit Kater Maus teilt und beobachtet ihre Mitmenschen, über die sie Notizbücher führt. Dort schreibt sie auf, was diese Menschen tun - ihre einzige Interaktion mit der Welt. Ansonsten stopft sie sich (Achtung, Jahrmarkt! ;D) ständig Essen in den Körper und findet nichts dabei, extrem fett zu sein. Trotzdem ist sie der Meinung, sie sei unsichtbar und scheinbar stimmt das, denn niemand bemerkt sie. (Das habe ich nicht verstanden, das war zu hoch für mich: Wie kann man eine extrem fette Frau nicht bemerken, die ihre Haare ständig übers Gesicht fallen lässt, um die missgestaltete Gesichtshälfte zu verbergen?)

Diese Ellen trifft eines Tages auf Temerity, die blind ist, und rettet ihr die Handtasche vor Dieben. Temerity ist perfekt. Davon abgesehen, dass sie nichts sehen kann, kann sie einfach alles, ist dazu superschön, supergütig, superbegabt, superreich, supermilde, super ... denkt euch was aus, das ist Temerity. Diese junge Frau und ihr ebenso supertoller Bruder Justine, der dazu auch noch sehen kann, nehmen Ellen mit offenen Armen auf und das Leben der jungen Frau ändert sich mit einem Schlag. Gestern noch einsam, heute zu zweit (dritt), gestern noch dabei, sich zu verstecken, heute wird sich in das Leben der beobachteten Menschen eingemischt, gestern noch dabei, nur tote Magenfüller zu essen, heute gibt's nur Gesundes und die Erkenntnis: Huch, Äpfel schmecken ja total gut und Gemüse und Vollkornbrot machen länger satt als Weißbrot. Dabei wirken dann Ellen und Temerity als Engel für ihre Mitmenschen, indem sie deren Leben richten und alles ward gut.

Oh, Hilfe! Der Schreibstil ist ja wirklich gut, da kann keiner was sagen. Aber diese süßliche Geschichte hat mir tatsächlich körperliches Unwohl bereitet. Ellen wandelt sich innerhalb von 72 Stunden und krempelt ihr Leben um, dabei begleitet von der blinden Geigerin (geht's noch kitschiger?), die so dermaßen gut, lieb, offen, herzlich ist und ihrem Bruder (dasselbe in Grün). Es gibt überhaupt keinen ernsthaften Spannungsbogen, denn alle angeschnittenen Probleme trugen ihre Lösung schon in sich - spätestens ab der Hälfte war mir klar, wie alles enden würde und so kam es auch, getoppt noch einmal von zwei unwahrscheinlichen Begebenheiten.

Fazit: Nahezu unerträglicher Sozialkitsch mit erhobenem Zeigefinger und Zuckerguss bis zum Erbrechen.

Kommentare

frostyface kommentierte am 26. April 2015 um 14:20

Hi!

Mir hat das Buch eigentlich ganz gut gefallen - klar, einiges war überzogen und teilweise vorhersehbar, aber bei klassischen Liebesromanen ist es auch nicht anders: Die Protagonisten treffen sich und die Frage ist nicht ob, sondern wie sie zusammenkommen und dabei diverse Herausforderungen meistern.

Genau diese Art und Weise, wie Ellen und Temerity im Buch die Probleme ihrer Mitmenschen lösen, fand ich durchaus gelungen.

LG frostyface

PS: Der Bruder heißt Justice, da hat sich ein kleiner Tippfehler in deine Rezension geschlichen. ;)