Rezension

Warum musste Marie sterben?

Letzte Hoffnung Meer - Anja Eichbaum

Letzte Hoffnung Meer
von Anja Eichbaum

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ihre Patienten waren nun einmal in der Lage sich ihre Gesundung etwas kosten zu lassen. Das war ja nicht ihr Vergehen, dass es diese Teilung des Gesundheitssystems gab, nicht ihr Vergehen, dass manche Menschen doch auch in Krankheit und im Sterben gleicher waren als andere...“

 

Im Ostseekurort Boltenhagen hat sich Marie gegen Krebs behandeln lassen. Bei ihr ist nun eine Spontanremission eingetreten. Sie begibt sich auf ihre Laufrunde. Doch wenige Minuten später ist sie tot.

Die Polizeipsychologin Ruth Keiser hat sich in Boltenhagen ein Ferienhaus gemietet. Sie ist vor den heimatlichen Bauarbeiten geflohen, um ihr neuestes Fachbuch fertigzustellen. Wie es der Zufall so will, machen im benachbarten Ferienhaus Martin Ziegler und Anne Wagner Urlaub. Martin ist ein ehemaliger Kollege von Ruth. Die Ärztin Anne hat sie bei ihrem letzten Fall auf Norderney kennengelernt.

Der Fall der toten Frau landet nter anderen bei Dr. Ernst Bender. Der wurde vor kurzem von Kiel nach Schwerin versetzt und kennt ebenfalls Ruth. Bender ist Polizist der alten Schule. Schwerin ist für ihn Neuland – und das spürt er:

 

„...Er sah die Blicke der Kollegen, die ihn auch heute wie so oft musterten. Er wusste, dass sie ihn für aus der Zeit gefallen hielten mit seinem Auftreten, auf das er äußersten Wert legte. Wie übrigens auch auf seinen Doktortitel...“

 

Die Autorin hat einen fesselnden und abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Es geht nicht nur um die Aufklärung eines Mordfalls. Eingebettet in die Handlung sind eine Reihe weiterer Themen.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen.

Der erste Gedanke der Kriminalisten ist, dass der neue Fall der Dritte in einer Reihe von Morden ist. Nur Dr. Bender analysiert sofort die Unterschiede. Doch er muss sich der Meinung der anderen beugen. Erst nachdem die Obduktionsergebnisse da sind, gerät die Klinik ins Visier.

Im Ort gibt es zwei Kliniken. Beide haben sich auf die Behandlung von Krebspatienten spezialisiert. Die Tote kommt aus der Privatklinik. Das Eingangszitat stammt von der Chefärztin der Privatklinik. Sie braucht eine Weile, bis sie sich dazu durchringt, mit der Polizei zusammen zu arbeiten.

Der Mord ist für die Patienten im ersten Moment eine Katastrophe. Natürlich hatte es sich herumgesprochen, dass Marie so gut wie geheilt war. An konkreten Beispielen wird deutlich, wie unterschiedlich die Patienten mit der Krankheit umgehen. Keiner ist bereit, die Hoffnung aufzugeben, selbst wenn die Prognose anders lautet.

Und dann gibt es Georg, der eine Strandbude betreibt, den besten Kaffee in der Umgebung anbietet und für die Patienten immer ein aufmunterndes Wort hat.

Zu den stilistischen Höhepunkten des Buches gehören die exakt ausgearbeiteten Gespräche. Bei der Unterhaltung von Georg und Ruth geht es um die Befindlichkeiten der Einheimischen. Dazu meint Georg.

 

„...Trotzdem werden oft Äpfel mit Birnen verglichen, wie man so schön sagt. Die Zeiten, in denen euch der Neustart gelang, sind gänzlich andere gewesen als zum Zeitpunkt des Mauerfalls. Ich sage nur Wirtschaftswunderzeiten. Davon war 1989 nicht mehr viel übrig...“

 

Und dann gibt es noch Evelyn. Sie ist Ansprechpartner für Patienten, die keine Hoffnung mehr sehen. Im Ort wird sie als Dorfhexe bezeichnet. Sie zeichnet sich durch ihre gute Personenkenntnis und ihre Feinfühligkeit aus, auch wenn das manche nicht so sehen. Ruth macht sich so ihre Gedanken.

 

„...Heilende Hände schienen Menschen wie Evelyn zu besitzen […]. Heilende Hände, die trotzdem unerwünscht waren in der Welt der Apparatemedizin....“

 

Natürlich werden auch die örtlichen Gegebenheiten detailliert beschrieben. Dazu gehören auch zwei neue Cafès in Wismar.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Wieder sind es Habgier und Menschenverachtung, die als Motiv gelten, um aus der Not der Menschen Kapital zu schlagen.