Rezension

Was bleibt uns ohne Sprache?

Kirchberg - Verena Boos

Kirchberg
von Verena Boos

Bewertet mit 5 Sternen

Hanna kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück, als ein Tumor und Schlaganfall ihr das Sprachvermögen nimmt. Im jahrelang verwaisten Haus ihrer Großeltern richtet sie sich ihren Rückzugsort ein Langsam, manchmal unfreiwillig oder aus der Not heraus schließt sie neue Freundschaften und knüpft an alte wieder an.

Hanna lässt den Leser an ihren Gedanken, ihrer Gefühlswelt teilhaben. Alles dreht sich um Heimat, Freundschaft und Sprache, Was bliebt einer Frau, deren Beruf und Berufung die Sprache war, wenn ihr diese genommen wird. Ich fand den Gedanken für mich ganz entsetzlich, nicht nur nicht mehr sprechen zu können, sondern auch das geschriebene Wort nicht mehr erfassen zu können. Und doch erträgt Hanna ihre Situation, oft mit bissigem Galgenhumor. Sie verarbeitet ihre unerfüllte Liebe zu einem Musiker, und lernt trotz der Ausweglosigkeit ihrer Situation zu vertrauen und Nähe zuzulassen-

Die Erzählstruktur ist nicht immer ganz einfach. In Zehnjahresschritten erleben wir die Familiengeschichte Hannas, die ihrer geliebten Großeltern, die der Mutter die Hanna als Baby abgewiesen hat. Dazwischen vermischt sich Gegenwart mit Vergangenheit. Hannas Gedanken sind oft sprunghaft, sie verliert sich in Kleinigkeiten, Orte und Zeiten wechseln schnell. Trotzdem habe ich mich verliebt, in die Art wie Verena Boos zu erzählen weiß. Kirchberg ist ein leises Buch, ein langsames Buch, ein kluges Buch. Gefühlsstark, doch unsentimental. Lesens- und liebenswert.