Rezension

Was für ein enttäuschendes Ende

Im Dunkel deiner Seele - George Harrar

Im Dunkel deiner Seele
von George Harrar

Als der Philosophieprofessor Evan Birch eines Tages nach einem Ausflug mit seinen Zwillingssöhnen von der Polizei angehalten und aufs Revier gebracht wird, weil man ihn mit dem plötzlichen Verschwinden eines 16-jährigen Mädchens in Verbindung bringt, gerät sein ganzes Leben in Schieflage. Regelmäßige Gespräche mit den Ermittlern, verstohlene Blicke anderer auf dem Campus und schließlich auch eine Durchsuchung seines Autos gehören bald zu Evans verquerem Alltag. Als dann auch noch Haare und ein Lippenstift des Mädchens in seinem Auto gefunden werden, scheint die Beweislage erdrückend, doch Evan ist sich sicher, die 16-jährige nie gesehen zu haben. Er weiß genau, dass er unschuldig ist und vermutet eine Verschwörung…

Ich empfand die Geschichte als sehr, sehr spannend und konnte bis zum Ende einfach nicht mehr aufhören zu lesen. Der Autor streut von Anfang an viele eigenartige Hinweise, sodass man bereits nach kurzer Zeit selbst die wildesten Spekulationen entwickelt und versucht, das auffällige und teils gruselige Verhalten seiner Ehefrau, seiner Söhne und auch seiner Studierenden zu deuten. Daher hatte ich mir für das Ende eine wirklich spektakuläre und geniale Auflösung erwartet, die all die losen Fäden endlich zusammenführt und die ganzen Verhaltensauffälligkeiten zu erklären vermag. Doch genau das ist nicht geschehen und dieser bis dahin wirklich gut gelungene Roman enttäuscht am Ende einfach nochmal so richtig und macht damit all das zunichte, was mir zuvor so gut gefallen hat. Der Autor beendet das Buch sehr abrupt mit einer zwar einleuchtenden Erklärung, die jedoch all die zuvor eingestreuten Hinweise überhaupt nicht aufgreift und den Eindruck erweckt, der Autor habe nur geblufft, um eine spannende Atmosphäre zu schaffen. Es gibt kein geniales, sondern ein enttäuschendes Ende, das einfach gar nichts erklärt, sodass man sich als LeserIn wirklich getäuscht fühlt.

Dieser Umstand ist ausgesprochen schade vor dem Hintergrund, dass der Autor bis dahin ein tolles Buch geschrieben hat. Die Atmosphäre kam authentisch rüber, es gelang mir durchweg, mich in Evan, seine Frau und seine Kinder hinein zu fühlen und auch die philosophischen Ausführungen, die ja zwangsläufig zu seinem Beruf gehören, haben mir sehr gefallen. Ich persönlich mochte es, dass Evan uns in die Philosophie „mitgenommen“ hat, jedoch kann ich auch verstehen, dass es dem ein oder anderen – gerade, wenn man grds. nicht so viel Interesse an solchen Themen hat – schnell zu viel wird. Mir persönlich hat es jedoch dabei geholfen, Evan näher kennen zu lernen.

Alles in allem ist dies ein merkwürdiger Thriller – sofern man ihn denn so bezeichnen kann – der mir wirklich gut gefallen hat, bis er mich am Ende total enttäuscht hat. Man könnte meinen, der Autor habe sich am Ende keine Mühe mehr gegeben, weil er vielleicht nur noch fertig werden wollte, eine Deadline näher rückte oder ihm schlicht keine geniale Erklärung für die ganze Situation eingefallen ist. Aüßerst schade, denn hier wurde viel Potential verschenkt.