Rezension

Wecke keinen schlafenden Mafioso - von einem Racheschwur und kreativer Gegenwehr

Des Menschen Wolf - Apostolos Doxiadis

Des Menschen Wolf
von Apostolos Doxiadis

Bewertet mit 4 Sternen

In einem Kloster in den italienischen Alpen trifft ein junger Restaurator auf einen älteren Mann, der ihn bittet, eine Geschichte auf Band aufzuzeichnen. Die Geschichte beginnt vor der Wende zum 20. Jahrhundert mit einem italienischen Auswanderer und seinen Söhnen, die in New York ihr Glück machen. Doch Benvenuto Franco, nun Ben Frank, tötet im Streit den einzigen Sohn eines berüchtigten Mafia-Capos. Tonio Lupo, Tonio der Wolf, verflucht Ben Frank und seine Sippe, indem er ankündigt, Franks Söhne würden mit 42 Jahren sterben müssen, dem Alter, in dem Luigi Lupo sterben musste. Zu dem Zweck setzt er eigens Guiseppe Terranova als Vollstrecker ein, der ihm nach vollbrachten Taten Bericht zu erstatten hat. Nun könnte man darüber nachsinnen, ob nach einem quasi religiös untermauerten Fluch die drei Franks in Erwartung ihres Todes nicht gestraft genug sein würden, so dass die Tat sich damit erübrigt.

Alessandro/Al Frank setzt auf Reichtum, um dem Racheschwur zu entgehen. Nicola/Nick will sich mit dem Schutzpanzer der Berühmtheit gegen den prophezeiten Tod mit 42 wappnen und Leonardo/Leo wächst als Jüngster zunächst in seliger Unwissenheit des Racheschwurs heran. Wie zu erwarten, macht der Zweite Weltkrieg Lupo zunächst einen Strich durch die Rechnung. Mit spöttischer Distanz zur guten alten Zeit, in der es noch keine Zeugenschutzprogramme gab, berichtet der Erzähler in zwei aufeinander zulaufenden Zeitebenen. Er verdeutlicht seinem jungen Zuhörer die Zusammenhänge mit weit ausholenden Rückblenden; sein Ton wirkt originell und für einen alten Mann ungewöhnlich frech in seinen Urteilen. Durch den zeitlichen Ablauf und die Einblicke in Mafia-Strukturen wirkt die Sache höchst authentisch. Doch spätestens mit Auftauchen einer weiteren, bildhaften Ebene aus kleinen Piktogrammen, die die drei Brüder, einen Wolf und ein weiteres Tier darstellen, fragt man sich, wer der alte Mann ist und welche Rolle er im Drama um die „Three little Pigs“ des Originaltitels spielt. Beim Lesen stellen sich Fragen nach der Existenz von Schicksal, nach dem Verhältnis zwischen gutem und nichtsnutzigem Bruder, ob man von diesem alten Erzähler etwas lernen kann, aber auch wer in diesem Szenario zuletzt lachen wird.

Für einen Rache-Thriller fehlt es dem ungewöhnlichen Roman etwas an Spannung. Wer sich auf das Erzähltempo einlassen kann, wird mit einer Mischung aus Abenteuer, Agenten- und Auswanderergeschichte belohnt, die einige Überraschungen bereithält.