Rezension

Weder zielführend noch aussagekräftig

An der Grasnarbe -

An der Grasnarbe
von Mirjam Wittig

Was Mirjam Wittig mit ihrem Debütroman „An der Grasnarbe“ bezwecken will, bleibt mir leider bis zum Erstellen dieser Rezension verschlossen. So begleiten wir die junge Noa zu ihrer Arbeitsauszeit auf einen Bauernhof nach Frankreich, um die Erlebnisse dort geschildert zu bekommen und zum Schluss leider mit zu vielen Fragezeichen gefühlt fallen gelassen zu werden. Aber noch einmal zurück. Noa ist scheinbar eine junge Person, die mit den Unsicherheiten der Welt, mit welcher sie Zeit ihres Lebens konfrontiert wird, nicht klarkommt. Ohne selbst jemals einen Terroranschlag erlebt zu haben, hat sie panische Angst vor einem solchen und erleidet Panikattacken, wenn sie Menschen des „Phänotyps“ Terrorist (dunkle Hautfarbe, langer Bart), ein stehengelassenes Gepäckstück oder generell Menschenmengen sieht. Dass dies übertrieben ist und ungleich stärker rassistisch ist ihr bewusst, aber das ändert nichts an der Sache, macht ihr nur Schuldgefühle. Somit nimmt sie sich eine Auszeit aus der deutschen Großstadt und verfrachtet ihr neurotisches Wesen aufs französische Land zu einer deutschen Selbstversorgerfamilie als Hilfskraft.

Der Klappentext – ja ich weiß, darauf sollte man nur bedingt hören - betont neben der „Flucht aufs Land, inneren Widersprüchen“ die „Auswirkungen der Klimakrise“ sichtbar im Roman. Nun ja, Ersteres wird beschrieben, Check. Zweiteres schon weniger gut, aber trotzdem Check. Das Letztere zeigt sich jedoch lediglich in einem trockenen Boden und einem Unwetter mit Sturzregen. Besondere Tiefe sollte man bei diesem Text nicht erwarten. Es werden unglaublich viele Themenstränge für so ein 190 Seiten dünnes Büchlein angedeutet, dann aber nicht wieder aufgenommen, geschweige denn zu Ende geführt. Versprochen wird außerdem im Klappentext: „mit großem Einfühlungsvermögen und starker atmosphärischer Kraft“, beides Komponenten, die dieser Roman meines Erachtens eher vermissen lässt. So wabert die Geschichte irgendwie vor sich hin, ohne Ziel und auch ohne Aussage. Die Figuren bleiben blass und hinterlassen keinen bleibenden Eindruck. Die Beziehungen der Figuren untereinander bleiben unklar. Sprachlich will die Autorin zu viel, auch wenn sie eine Panikattacke aus Sicht der Ich-Erzählerin Noa ganz gut rüberbringen kann. Für mich hat sich der Roman zwar zum Ende hin etwas flüssiger lesen lassen, was mit der zunehmenden Ausgeglichenheit der Erzählerin zu tun haben könnte, trotzdem präsentierte sich mir der Roman nicht als ein Lesevergnügen. Er stellt sich mitunter genauso planlos wie die Ich-Erzählerin dar und wird inhaltlich belanglos.

Abschließend fragt man sich nach der Lektüre von „An der Grasnarbe“, was die Autorin mit diesem Roman aussagen wollte oder ob sie lediglich einen selbst erlebten Selbstfindungstrip in die Natur in Romanform gepackt hat. Eine emotionale Tiefe jedweder Art bleibt dabei den Außenstehenden jedoch verschlossen. Somit kann ich diesen Roman leider nicht weiterempfehlen. Die Lektüre tut nicht weh, aber sie bringt auch nicht viel. Ist scheinbar nicht zielführend. An einer Stelle sagt ein Protagonist: „Kann schon sein, ich klinge wie ein Achtsamkeitsbuch. Tut mir leid, dass ich dir nichts Interessanteres dazu sagen kann.“ Dies scheint das Motto des vorliegenden Romans zu sein...