Rezension

Wenn Versprechen zu Verbrechen werden

Metropol - Eugen Ruge

Metropol
von Eugen Ruge

Was macht ein Regime der Unterdrückung mit betroffenen Menschen? Man muss zugeben, dass diese Frage in der Literatur nicht gerade neu ist. So wundert es nur wenig, dass auch die Antworten, die Schriftsteller und Wirklichkeit bereithalten, meist alles andere als überraschend ausfallen. Der Roman „Metropol“ stand genau vor diesem Problem, doch Autor Eugen Ruge hat dafür eine glänzende Lösung gefunden.

Vorhang und Buch auf! Treten Sie ein ins noble "Metropol"! Lernen Sie ein Moskauer Hotel im Jahr 1936 kennen, in dem man als Gast, Lesesäle aufsucht, sich in Menschenschlangen nach knappen Waren anstellt und lernt, mit der Angst zu leben, abgeholt, des Hochverrats bezichtigt und erschossen zu werden.

Und lernen Sie ein Hotel kennen, das eine der Hauptrollen spielt in Eugen Ruges gleichnamigem Roman, in dem er die Geschichte seiner Großeltern erzählt. Die waren 1933 als Kommunisten in die Sowjetunion geflohen und arbeiteten als Agenten für den sowjetischen Geheimdienst der KomIntern, der Kommunis­tischen Internationalen, hatten aber das Pech, mitten in die Stalinschen Säuberungen zu geraten.

 

Doch der Furcht und dem Schrecken zum Trotz: Charlotte und Wilhelm halten fest an ihren Überzeugungen, obwohl sie voller Angst sehen, dass der sie umgebende Terror immer schlimmer wird. Stalins Methode des Machterhalts um jeden Preis kostet Tausende das Leben, Ruges Großeltern entkommen offenbar nur durch einen glücklichen Zufall.

 

Ruge hat drei Erzählstimmen verwoben. Charlot­tes Sicht ist die des Opfers, die von Wilhelms erster Frau Hilde ist die Stimme eines Menschen der glaubt, sich selbst  durch die Denunziation anderer retten zu können. In die Seele der Täter blicken wir durch den obersten Militärrichter der Sowjetunion, der – obwohl nicht einmal Jurist! – mehr als 30 000 Todesurteile unterschrieb, ehe er selbst zur Zielscheibe Stalins wurde.

 

Was macht dieses Buch aus, was löst in uns diese Faszination, den Schauder, die Ergriffenheit aus? Es ist die Hilflosigkeit, die aus Menschen und Kämpfern ängstliche Duckmäuser, Mitläufer und sogar Denunzianten macht. Und es ist die Austauschbarkeit des Systems: Ruges Großeltern könnten genauso gut Opfer von Nazis und Gestapo oder SED und Stasi geworden sein, um nur zwei Beispiel zu nennen. Die Methoden der Unterdrückung und das Verhalten der Opfer kennt man aus aller Welt. Sie funktionieren viel zu oft und immer wieder ähnlich – womöglich bis heute.

 

Das Buch ist ein erschütternder Schrei nach mehr Menschlichkeit und Verständnis. Nicht nur für Charlotte und Wilhelm, sondern für alle Menschen, die schuld- und wehrlos in die Mühlen eines Systems geraten, dessen politische Versprechen sich in schreckliche Verbrechen verwandeln – mit unzähligen Opfern.