Rezension

"White Out" oder nur Angeberei?

Spielplatz der Helden - Michael Köhlmeier

Spielplatz der Helden
von Michael Köhlmeier

Bewertet mit 4 Sternen

Drei Südtiroler durchquerten 1983 als erste Menschen Grönland ohne Schlittenhunde und externe Hilfsmittel. Die spektakuläre Durchquerung wird in Köhlmeiers Roman zu einem aberwitzigen Psychodrama, da vom ersten Tag an Streit zwischen den drei Bergsteigern herrscht. Obwohl so zerstritten, dass zwei von ihnen während der 88 Tage kein Wort miteinander wechseln, bewältigen sie die zuvor nicht für möglich gehaltene Route. (Verlagseite dtv)

Im Jahr 1983 überquerten die Abenteurer und Bergsteiger Robert Peroni, Pepi Schrott und Wolfgang Thomaseth Grönland an der breitesten Stelle ohne vorher Depots einzurichten und ohne Versorgung oder Beobachtung durch die Luft, ohne Schlittenhunde, ohne Funkgerät oder andere Möglichkeiten, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Mit selbst entworfenen Schlitten, Nahrungspulver und Zelt schafften sie innerhalb von drei Monaten den 1400 Kilometer-Marsch über das Inlandeis.
Köhlmeier erzählt die Geschichte dieser Expedition aus der Sicht jedes Teilnehmers, verwendet dazu einen einfachen, aber wirkungsvollen Kniff: Der namenlose Ich-Erzähler, ein Journalist, interviewt für das Buch, das er plant, die drei Männer. Widersprüche, Übertreibungen und gegenseitige Schuldzuweisungen lässt er stehen --- soll doch der Leser selbst sehen, wem er glaubt und wen er für den wahrhaftigsten der drei hält, Reinold Minach (Robert Peroni), Michael Gratt (Pepi Schrott) oder Leo Degaspari (Wolfgang Thomaseth).

In einer Parallelgeschichte schildert der Erzähler die Hintergründe seiner Ehe: Wie er seine Frau einem anderen Mann ausspannte, wie er die Menage à trois durchlitt und wie es sich nun mit zwei Stief- und zwei eigenen Kindern lebt. Weil dieser Erzählstrang, was Spannung, Intensität und Bewegung angeht, dem ersten das Wasser nicht reichen kann, langweilig und verworren ist, fragt man sich, warum der Könner Köhlmeier diese Passagen eingebaut hat. Man kann vermuten: Es geht, ebenso wie in den Interviews zum Grönlandabenteuer, um Wahrheit und Lüge, um Selbsttäuschung und Einbildung. (Wäre eine Liebesgeschichte angedacht – die allerdings keine Entsprechung und keine rechte Anbindung finden würde – könnte man mangelnde Emotionalität beklagen.) Es wundert also nicht - und bestärkt meine Deutung -, dass das Buch mit einer (kleinen) Notlüge endet. 

Die Neugier bleibt zurück: Wenn die erzählte Geschichte um das Grönland-Abenteuer so viele Tatsachen und Fakten der konkreten Expedition enthält, wie viel Köhlmeier und Ehefrau steckt in der Familiengeschichte? Zumal der Erzähler die gleichen Fächer wie der Autor in den gleichen Städten studiert (hat). 

Obwohl man weiß, dass die Expedition letztendlich „gut“ ausgegangen ist, liest das Buch sich fesselnd wie ein Abenteuerroman. Auch Ironie und Witz kommen nicht zu kurz; darauf verweist schon der Titel.