Rezension

Wichtiges Thema - spannend erzählt

Junge Geheimnisse - Eike Ruckenbrod

Junge Geheimnisse
von Eike Ruckenbrod

Bewertet mit 4 Sternen

Vanessa lädt ihre Freundin Pia zu einer Reise nach Schottland ein. Dort lebt eine Tante von ihr. Pia würde gern mitfahren, auch um den schmierigen Annäherungsversuchen ihres Stiefvaters zu entgehen. Er nutzt ihre schwierige Lage aus und verlangt ihr entgegenkommen. Damit er der Reise zustimmt.

Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Jugendroman geschrieben. Das Buch lässt sich zügig lesen. Die beiden vierzehnjährigen Protagonisten befinden sich gerade in einer Zeit, wo sie ihren Körper entdecken und erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht machen.

Die Geschichte wird von Pia erzählt. In Schottland treffen die Jugendlichen auf ihre Tante Agathe, die seit dem Tode des einzigen Sohns unter Depressionen leidet. Pia und Vanessa wollen die Hintergründe seines Unfalls recherchieren. Auf ihren Ausflügen lernen sie zwei Jungen kennen.

Mit Vanessa und Pia hat die Autorin zwei gegensätzliche Protagonisten geschaffen. Während Pia in der Ehe der Eltern Gewalt als Alltäglichkeit erlebt und keinen Ansprechpartner für ihre Probleme hat, wächst Vanessa in einem liebevollen Elternhaus auf. Als Tochter eines Anwalts kennt die keine finanziellen Sorgen. Das zeigt sich in ihrem selbstbewussten und selbstbestimmten Auftreten. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass die Freundschaft der beiden Mädchen auf Augenhöhe geschieht.

Die Autorin hat es ausgezeichnet verstanden, die psychische Verletzlichkeit von Pia nach dem sexuellen Missbrauch deutlich zu machen. Dabei spielt es keinerlei Rolle, wie weit dieser Missbrauch ging. Während Vanessa wie eine junges Mädchen dieses Alters auf die schottischen Jungen zugeht, ist für Pia schon ihre Gegenwart schwer zu ertragen. Die spielerischen Kontakte zwischen Aidan und Vanessa beobachtet sie mit Argusaugen, immer begleitet von der Angst, dass Vanessa verletzt werden könnte. Ihr fehlt jegliche Unbeschwertheit, selbst in einer weiten Entfernung vom Elternhaus.

Die Ereignisse in Schottland aber lassen in Pia nach und nach die Kraft wachsen, nach der Rückkehr ihrem Peiniger gestärkt gegenüberzutreten. Dazu tragen auch ihre Träume von der Zukunft und die Zuversicht Vanessas bei, die sie in diesem Träumen bestärkt.

Der Schreibstil des Buches passt sich sprachlich der jugendlichen Zielgruppe an. Treffende Bilder und Worte findet die Autorin für Pias innere Kämpfe. Emotionen werden auch durch Handlungen verdeutlicht. Dazu wirken sie besonders eindringlich.

Die Atmosphäre im schottischen Schluss mit entsprechenden Gruselfaktor findet sich in passenden Metaphern wieder. Für den Blick in die Vergangenheit werden aussagekräftige Dialoge genutzt, die das Geschehen lebendig werden lassen. Gefühlvolle Szenen wechseln mit jugendlicher Unbekümmertheit.

Während der gesamte Aufbau der Handlung behutsam und durchdacht geschieht, bin ich mit dem ende nicht in jedem Fall glücklich. Natürlich macht es die Geschichte rund, das aber geht mir ein wenig zu schnell. Sicher sehe ich das auch deshalb etwas kritischer, weil ich nicht mehr zur jugendlichen Zielgruppe gehöre.

Das Buch hat mir trotzdem sehr gut gefallen. Die Idee, die Betroffene selbst erzählen zu lassen, ist ein geschicktes Stilmittel. Das gleiche gilt für die Tatsache, dass es kurz nach dem Missbrauch eine räumliche Trennung von Täter und Opfer gab.